Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
so weit wollte sie auch mal kommen! Aber das durfte sie ihr natürlich nicht zeigen.
«Gehen wir ein Stück?», fragte Susanne und deutete auf den dunklen Deich, der sich direkt hinter der Disco im leichten Nebel auftürmte.
«Wieso haben mich diese Gorillas rausgeworfen?», erkundigte sich Jade genervt.
«Du kannst gleich wieder rein», sagte Susanne und ging ein paar Schritte vor. Aha, es lag also in ihrer Macht zu entscheiden, wann das der Fall war.
«Hat das Palace dir gefallen?»
Jade überlegte.
«Im Prinzip schon, aber man könnte es noch etwas aufpeppen.»
«Und wie?» Susanne sah sie neugierig an.
«Hier und da ein altes Weinfass oder eine Wäschemangel …»
Ihre Gegnerin warf den Kopf nach hinten und lachte: «Guter Tipp, ich werd drüber nachdenken.»
«Was gibt es sonst noch?», fragte Jade.
«Ich will nur mal mit dir reden.»
Jade musste unwillkürlich an den geheuchelten Pädagogen-Ton denken, den Lehrer anschlugen, wenn ein Schüler sich danebenbenommen hatte. Am Ende lief es immer auf eine Maßregelung heraus, egal, was man sagte.
«Worüber?»
Die Lindner lächelte.
«Die Sache ist doch die: Wir haben durch euer neues Konzept leichte Umsatzverluste, das muss ich zugeben.»
War das etwa ein Eingeständnis von Schwäche? Mit Sicherheit waren die «leichten Umsatzverluste» gravierender als sie zugeben wollte, sonst würde sie mit ihr nicht darüber reden.
«Sosehr ich mich auch bemühe, warum löst das keine Trauer bei mir aus?», antwortete Jade kühl.
«Zum Überleben reicht es für euch trotzdem nicht, richtig?»
Vor ihnen lag das Meer, umhüllt von Nebel. Nichts als ein plätschernder, ruhiger Wellenschlag war zu hören. Es roch feucht und salzig, ein Hauch von Seetang lag in der Luft.
«Ohne Arne darf ich dazu nichts sagen.»
«Komm schon. Du bist doch die heimliche Chefin!» Und nach einer Pause: «So sehe ich das jedenfalls.»
War das ehrlich gemeint? Oder wollte die Lindner sie mit Komplimenten weichkochen?
«Meinen Sie etwa, Arne ist ein Trottel?»
«Wir können uns ruhig duzen.»
«Von mir aus.»
Obwohl es ihr sehr schwerfiel, eine Konkurrentin zu duzen, die außerdem noch doppelt so alt war wie sie.
«Arne ist kein Trottel, im Gegenteil», sagte Susanne. «Es ist zum Beispiel äußerst klug von ihm, auf dich zu hören. Und außerdem liebt er das Erdbeerparadies, er identifiziert sich damit. Ein guter Laden braucht diese Art von Engagement, sonst kann man es gleich vergessen. Arne hat sehr viel mehr Qualitäten, als ihm bewusst ist, und genau das macht seinen Charme aus. Aber in der Geschäftswelt reicht Charme allein nicht aus. Er braucht einen starken Partner an seiner Seite.»
Jade schwieg. Worauf wollte die Frau hinaus? Ob sie doch in größeren finanziellen Nöten steckte, als Jade vermutet hätte? Diese neuen Laserkanonen im Palace mussten einen Haufen Geld gekostet haben.
«Ihre Investitionen möchte ich nicht wieder einspielen müssen.»
«Waren wir nicht schon beim Du?», erinnerte sie Susanne.
Plötzlich kam Jade wieder die Sache mit Momme hoch. Die Lindner hatte ihm den Kontakt zu ihr verboten, als könne sie über sein Leben bestimmen. Sie spielte hier nur die Freundliche, in Wirklichkeit hatte sie keine Skrupel, ihre Macht einzusetzen.
«Was soll das hier werden? Eine Ladys Night auf dem Deich?», fragte Jade.
Susanne Lindner holte hörbar Luft.
«Hör zu, ich mag Arne wirklich. Aber er reitet sich gerade in sein Unglück. Du bist die Einzige, die ihn davon abhalten kann.»
«Du bist also eine Art Streetworkerin, die verirrte Gastronomen retten will?»
Susanne sollte ruhig merken, dass sie sich nicht so leicht einlullen ließ. Doch plötzlich ging Susanne zum Gegenangriff über:
«Ich habe mit der Schülerverwaltung gesprochen. Die Abifete findet wie immer bei uns im Palace statt. Nur dass da nicht falsche Hoffnungen entstehen.»
«Heißt das, Momme darf mich ab jetzt wieder treffen?», fragte Jade spitz. Es war ihr so rausgerutscht.
Susanne blickte sie überrascht an.
«Ah, da liegt das Problem!»
Jade merkte, dass sie sich ohne Not auf ein Minenfeld begeben hatte. Ein schwerer taktischer Fehler.
«Nein! Wieso das denn?»
Wie hatte sie sich nur so die Blöße geben können?
Susanne reichte ihr die Hand. «Es hat mich sehr gefreut.»
Jade setzte ebenfalls ein Haifischlächeln auf.
«Mich auch.»
Damit ging Susanne Lindner zurück zu ihrer Höhle. Nach ein paar Schritten drehte sie sich noch einmal um.
«Wir sind aus dem gleichen
Weitere Kostenlose Bücher