Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
er das Erdbeerparadies endgültig vergessen.
Aber erst einmal musste er zu seinem Wort bei Kuno stehen. Mit langsamen Schritten führte er den alten Herrn zu seinem Toyota, damit der sich seinen Lebenstraum erfüllte: eine Spritztour mit seiner großen Liebe Imke Riewerts.
Arne beugte sich in den Wagen: «Mama, Kuno will eine Runde mit dir drehen.»
Imke sah Kuno widerwillig an, der sich mit wackligen Beinen dem Fahrersitz näherte. Ihrem Blick nach zu urteilen, freute sie sich auf die angekündigte Spritztour so sehr wie auf eine Reise in eine Bürgerkriegsregion.
«Moin, Imke», grüßte Kuno, ohne zu lächeln. Ihm war wohl klar, dass er bei ihr nichts mehr reißen konnte.
«Bitte, Mama», flüsterte Arne. «Kuno hat mir sehr geholfen.»
Imke versuchte einen irgendwie freundlichen Blick aufzulegen. Dabei schimmerte eine Ahnung von dem jungen, charmanten Mädchen durch, das sie mit Sicherheit einmal gewesen war. Arne drückte Kuno den Schlüssel in die Hand und hoffte, dass alles gut ging. Am liebsten wäre er mitgefahren, doch das lehnte Kuno strikt ab. Also setzte er sich vor das Altersheim auf den Rasen und hoffte, dass nichts passierte. Kuno startete den Wagen und würgte ihn schon beim Anfahren ab. Die Kupplung war einfach zu schwergängig für seine schwachen Beine.
Vorsichtshalber ging Arne noch einmal zum Wagen.
«Ihr könnte ja auch so im Auto sitzen und schnacken», schlug er vor. Was eigentlich Unsinn war, weil seine Mutter gar nicht reden konnte. Kuno nickte grimmig und nutzte die Gelegenheit trotzdem schamlos aus, indem er wild gestikulierend auf Imke einredete. Seinem angespannten Gesicht nach zu urteilen, machte er ihr heftige Vorwürfe, wahrscheinlich noch wegen der Oldsum-Sache, wo sie ihn sitzengelassen hatte, und wer weiß weswegen noch.
Arme Imke, das hatte sie nicht verdient!
Als Kuno nach einer halben Stunde endlich aus dem Wagen stieg, stand auf dem Block seiner Mutter nur ein Wort:
IDIOT!
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20.
Feindeshöhle
Jade legte sich am Südstrand in die Sonne, um einfach mal für sich zu sein und ein Buch zu lesen. Schon nach wenigen Seiten fielen ihr die Augen zu. Nicht, weil Salingers «Fänger im Roggen» langweilig war, sondern einfach vor Erschöpfung. Irgendwann mischten sich in ihre Träume laute Geräusche, und sie begann, sich unwohl zu fühlen. Sie schlug die Augen auf. Der Himmel hatte sich zugezogen, am Strand war es kühl geworden, die übrigen Badegäste befanden sich im Aufbruch. Also schwang sie sich auf ihr Rad und legte sich, zu Hause angekommen, aufs Wasserbett, um Musik zu hören. Ihre Oma war von ihrer Freundin Hilde zum Canastaspielen in Oldsum abgeholt worden, obwohl Hilde sich ständig darüber beschwerte, dass Imke immer schummelte – was diese heftig bestritt.
Sonst sah es nicht besonders gut aus.
Arne hatte alles auf das Beatles-Band gesetzt. Doch als er das Original bei Momme abholen wollte, war es bereits verschwunden. Momme hatte es seiner Tante Susanne vorgespielt, die hatte es zu Jockel mitgenommen, dem Hausmeister des Island Palace, der ein alter Kenner des Erdbeerparadieses war. Jockel hatte behauptet, die Sänger auf dem Band seien zwei Kumpels von ihm aus England gewesen, denen Susanne Lindner es daraufhin einfach geschickt hatte. Arne glaubte ihr kein Wort. Er vermutete, sie wollte sich jetzt mit den Beatles endgültig gesundstoßen. Immer wieder hörte er seine Kopie auf der CD an und verglich sie mit Originalaufnahmen der Fabulous Four .
Jade hatte die vermeintliche Beatles-Aufnahme immer für einen Wunschtraum ihres Onkels gehalten, mehr nicht. Sie hielt sich lieber an die Fakten, und die sahen nicht gerade rosig aus: Trotz bescheidener Erfolge mit den Discos für die älteren Schüler kam das Erdbeerparadies nicht aus der Nullgewinnzone heraus – während das Island Palace dreimal die Woche ausverkauft war. Jade hatte eine teure Lärmschutzschleuse für den Eingang in Auftrag gegeben, aber die konnte erst eingebaut werden, wenn die Saison längst vorbei war.
Langsam war sie sich ihrer Sache nicht mehr ganz so sicher. Wenn das Paradies Pleite machte, waren ihre sämtlichen Ersparnisse weg. Auf ihre Eltern konnte sie ja im Ernstfall nicht mehr zurückgreifen, das fühlte sich immer noch ungewohnt an. Natürlich war sie in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Neu war, dass sie es jetzt auch musste .
Wie so oft, wenn sie ihren Gedanken nachhing, kamen ihr Mommes blaue Augen in den Sinn. Sie fühlte seinen Blick auf sich
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