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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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vollkommen überdreht. Weder mit Lesen noch mit Entspannungsübungen schaffte sie es einzuschlafen.
    Irgendwann stand sie auf und ging hinaus in den Biergarten. Die feuchte Nachtluft tat gut, obwohl ein schwüler Nebel in der Luft lag. Sie schnappte sich das Hollandrad, das ihr Arne überlassen hatte, und radelte an der Wrixumer Windmühle vorbei in die dunkle Marsch. Hier endete die Straßenbeleuchtung. Hoch am Himmel blinkten ihr rote Warnlichter von den Windrädern auf dem Festland entgegen. Kein Geräusch war zu hören, außer ihrem eigenen Atem. Das Batterielicht, das sie auf den Lenker gesteckt hatte, zeigte den immergleichen Ausschnitt des Asphalts. Manchmal lagen ein paar Gräser auf der Straße, hier und da ein paar Steinchen, einmal eine tote Maus, was sie so eklig fand, dass ihr schlecht wurde. Anfangs gab es noch einen weißen Seitenstreifen und alle fünfzig Meter einen hellen Begrenzungspfahl, aber irgendwann fehlte jeglicher Anhaltspunkt, und sie fuhr ins Nichts. Obwohl sie sich inzwischen gut auskannte, verlor sie mehr und mehr die Orientierung.
    Plötzlich keckerte eine Krähe laut in die Nacht.
    Sie erschrak.
    Wenn Menschen in der Nacht so schrien, war etwas Schlimmes passiert.
    Die Krähe wiederholte den Laut. Es klang bösartig, als ob es gegen sie gerichtet wäre. Was hatte das zu bedeuten? Während sie nachdachte, machte die Straße, ohne dass sie es merkte, einen Schlenker nach rechts. Sie aber fuhr geradeaus auf den Graben zu und stürzte zu Boden. Das war so plötzlich gekommen, dass sie erst einmal regungslos liegen blieb. Klumpen von fetter Marscherde klebten ihr im Gesicht. Der Boden atmete im Nebel fremde, unangenehme Gerüche aus. Das Wasser im Graben gluckste. Irgendwo brach ein Ast ab, ohne dass sie einen Baum sah. Es herrschte absolute Windstille.
    Mühsam richtete sie sich auf, wischte sich die Erde aus dem Gesicht und radelte weiter. Jetzt hatte sie vollständig die Orientierung verloren, die Marsch war in der Nacht eine komplett andere Landschaft. Eine unergründliche Angst legte sich wie eine Manschette um ihren Nacken und blieb da, egal, wie schnell sie auch strampelte. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie spürte deutlich, wie sich ein dichter Schwarm schwarzer Vögel im Nebel um sie herum scharte. Sie hatte die unsichtbaren Kräfte in der Marsch unterschätzt.
    Plötzlich sah sie ein einziges Haus vor sich aufleuchten. Es war Mommes Haus. Sie stutzte. Welcher Instinkt hatte sie hierhergeführt?
    Sonderbar, dass um diese Uhrzeit noch Licht bei ihm brannte. Wahrscheinlich war er gerade aus dem Island Palace gekommen und konnte auch nicht schlafen. Sollte sie einfach hingehen und klopfen? Bloß nicht, nachher würde er sie für eine Stalkerin halten. Nein, nichts wie raus aus der nächtlichen Marschhölle!
    In dem Moment öffnete sich die Tür, sodass sie voll in den Lichtkegel radelte. Und vor Momme stehen blieb.
    «Das ist ja wohl Gedankenübertragung», sagte er leise. «Ich habe gerade an dich gedacht.»
    Wenn das stimmte, war es ein kleines Wunder.
    «Lust auf ’ne Radtour?», fragte sie.
    «Ich hole eben eine Jacke.»
    Kurze Zeit später radelten sie im Halbdunkel nebeneinanderher. Sie konnte ihn nur undeutlich erkennen. Beide wussten sie nicht, was sie sagen sollten. Als sie Dunsum erreichten, ließen sie die Räder stehen und gingen auf den Deich. Das Wattenmeer und die Inseln gegenüber sahen im Morgengrauen fast ein bisschen feindselig aus.
    «Schön grau», bemerkte Jade.
    «Wie ein Schwarzweißfoto.»
    Plötzlich schoss von Osten der erste Sonnenstrahl wie ein Blitz über den Horizont. Das Watt explodierte in Gelb und Orange, das auflaufende Wasser leuchtete tiefblau auf, ebenso der Himmel. Unter anderen Umständen wäre es angesichts dieser gigantischen Kulisse bestimmt zu einem Kuss gekommen. Aber zum Glück war das zwischen ihnen geklärt. Oder nicht?
    Wenn sie ehrlich war, gab es in ihrem Kopf sehr wohl einen Ort, in dem nicht alles so klar sortiert war. Zum Glück war dieser Raum fest verriegelt, denn sie ahnte, dass es schwierig werden würde, wenn sie ihn betrat.
    Es war noch unangenehm kühl, also standen sie auf, zogen sich die Schuhe aus und gingen ins Watt. Das knöcheltiefe Wasser war wärmer als die Luft, der Boden unter den Füßen angenehm weich.
    «Wollen wir rüber nach Amrum?», fragte sie.
    «Bei Flut?», fragte Momme.
    «Warum nicht?»
    Sie gingen ein paar Schritte ins flache Wasser, dann wussten sie nicht mehr, wohin. Weiter ins Watt zu gehen

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