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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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wie eine Insulanerin sprach.
    Plötzlich ertönte von unten aus dem Tanzsaal irrsinnig laute Musik: «Immer wieder Sonntags» von Cindy und Bert. Wenn sie ihre Lieblingstitel hörte, kannte Oma keine Gnade mit der Lautstärke.
    «Mann, ist das heftig», stöhnte Arne.
    «So sind alte Leute nun mal, sie leben ihre Gefühle voll aus. Das ist aber nur eine Phase, die geht vorbei.»
    «Und wir sind die Spießer?», fragte Arne lächelnd.
    «Na ja, eher die Nachbarn. Ich schaue mal nach, ob Oma die Fenster zuhat, sonst dreht die Tusse von gegenüber noch durch.»
    «Sag ihr, in einer Viertelstunde gibt es Essen.»
    Jade ging die Treppe herunter und riss die Tür zum Tanzsaal auf. Sie blickte auf eine Wand aus rosa Schaum, die sich bis zur Decke türmte. Oma musste die Schaummaschine voll aufgedreht haben. Es roch nach Erdbeeren, die Discokugel drehte sich, und die Scheinwerfer blinkten in allen Farben. Arne würde durchdrehen, wenn er das sah. Um den Tanzsaal wieder trocken zu bekommen, mussten sie bestimmt einen Tag lang putzen.
    «Oma?», rief sie gegen die Musik, was bei der Lautstärke vollkommen sinnlos war.
    Also tastete sie sich durch die dichte Masse. Oma liebte die Schaummaschine über alles, dagegen konnte man einfach nichts machen. In der Mitte des Raumes konnte Jade einen dunklen Schatten erkennen. Vorsichtig kämpfte sie sich dorthin, wobei ihr immer wieder Schaum in den Mund kam. Oma saß in ihrem Rollstuhl, ihr Kopf war zur Seite geneigt, die Augen waren geschlossen. Sie war über und über mit rosa Schaum bedeckt. Ihr Gesicht sah so entspannt aus wie noch nie. Jade fuchtelte wild mit den Armen herum, um sie von dem Schaum zu befreien. Die Musik dröhnte immer noch laut durch die Boxen. Noch bevor sie verstand, was los war, fing sie laut an zu weinen.
    «Oma!», rief sie und kämpfte sich zur Anlage vor, um Cindy und Bert abzustellen.
    Stille.
    «Essen ist fertig», rief Arne von oben.

    Ein paar Minuten später standen sie weinend vor der toten Imke. Sie sah ganz friedlich aus. Arne streichelte seiner Mutter über den Kopf, Jade hielt ihre Hand. Sie hatte noch nie eine Tote angefasst, aber bei Oma erschien es ihr vollkommen natürlich. Arne besorgte eine Decke und legte sie mit Jade vorsichtig auf Omas Schoß, dann faltete er Imkes Hände über dem Bauch. Um sie herum stand immer noch meterhoch der Schaum, was etwas Absurdes hatte. Aber irgendwie passte es zu Oma.

[zur Inhaltsübersicht]
    28.
    Abschied
    Zwei Tage lang wurde Imke im Tanzsaal des Erdbeerparadieses im offenen Sarg aufgebahrt. Unzählige Insulaner und Freunde vom Festland kamen, um Abschied von ihr zu nehmen. Der Geruch von frischem Erdbeerschaum hing immer noch in der Luft.
    Jade hatte sich vorher immer vorgestellt, dass Tote aussahen wie Schlafende, aber das stimmte nicht. Schlafende bewegten sich immer noch ganz leicht, durch ihren Atem. Trotzdem wirkte ihre Oma so entspannt, wie es eine Lebende niemals vermocht hätte, und das tröstete sie ein wenig, zumindest für den Moment.
    Vor keinem Tag in ihrem Leben hatte sich Jade so gefürchtet wie vor der Beerdigung ihrer Oma. Nun saß sie vorne im Taxi, das dem silberfarbenen Leichenwagen folgte. Hinten saßen ihre Eltern. Ihr Vater war wie erstarrt, ihre Mutter weinte still vor sich hin. Imke hatte einmal den Wunsch geäußert, bei ablaufendem Wasser im engsten Familienkreis, zu dem selbstverständlich auch ihre WG-Mitbewohner Ocke und Christa gehörten, beigesetzt zu werden. Man möge helle Kleidung tragen; dem hatte die Familie entsprochen.
    Das Wetter hätte Oma gefallen. Ein lauer Wind strich um die Insel Föhr, zwischendurch wurden die Wolken immer wieder aufgerissen, und die Sonne brach hervor.
    Vor der Beerdigung hielt der Leichenwagen ein paar Minuten am Haus der Verstorbenen an, das war eine Föhrer Tradition. Sie waren im Konvoi zum WG-Haus nach Dunsum gefahren. Während der Schweigeminuten kam kurz die Sonne heraus, als wollte sie einen letzten stillen Gruß schicken. Jade hätte sich nicht gewundert, wenn plötzlich die Haustür aufgegangen, Oma herausgekommen wäre und gerufen hätte: «Das mit meinem Tod war nur ein Missverständnis, ich lebe noch! Kommt rein, Kinder!»
    «Oma wird nie wieder hierherkommen», sagte sie leise.
    Ihr Vater legte von hinten seine Hand auf ihre Schulter.
    Oma, bist du da? Kannst du mich sehen? Bitte melde dich, wenn es irgendwie geht.
    Keine Reaktion.
    Ein paar Minuten später ließ Bestatter Hansen den Motor seines Wagens an. Der Friedhof in

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