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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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empfing ihre Gäste. Sie war in ihre weiße Siebziger-Jahre-Jeans gestiegen, die etwas zu weit war, weil sie in letzter Zeit stark abgenommen hatte. Ihr Untergewicht wurde zum Glück durch ihren strahlenden Teint überspielt. Ihre Bluse, wie immer in ihrer Lieblingsfarbe so-bunt-wie-möglich, blähte der Wind zwischendurch auf, als sei sie schwanger oder dick, was sehr lustig aussah.
    Ocke blieb das Herz stehen.
    Christa kam aus dem Haus, in einem schlichten weißen ärmellosen Kleid. Um ihren schmalen Hals schmiegte sich eine Kette aus mattem Gold. Christa leuchtete geradezu, was nicht nur an ihrer Kleidung, sondern vor allem an ihrem grandiosen Lächeln lag. Niemand hätte vermutet, dass ein breitschultriger Maschinist wie er es kaum schaffte, die Bremse in seinem Wagen zu finden, weil die Frau seiner Träume ein paar Meter von ihm entfernt stand. Es war lächerlich, aber ändern konnte er es auch nicht. Wenigstens war Christa in diesem Moment allein. Aber das hieß noch nichts, vielleicht holte sich ihr Freund gerade etwas zu essen aus der Küche, wo das Buffet aufgebaut war.
    Die beiden Blondinen pulten sich kreischend vor Lachen aus dem Wagen und hakten sich links und rechts bei Ocke ein, gemeinsam staksten sie etwas ungelenk zum Haus. Imke freute sich sichtlich über die gackernden Weiber, die Stimmung in die Bude bringen würden, während Christa Ocke neugierig entgegengrinste. Er lief puterrot an. Auch wenn er bei Christa keine Chance hatte, merkte er plötzlich, wie peinlich es war, was er hier veranstaltete.
    Zu spät, aus der Nummer kam er nicht mehr raus.
    «Ich bin die Carla», grüßte die mit dem weißen Motto-T-Shirt. «Herzlichen Glückwunsch.»
    Imke bedankte sich artig und reichte ihr ein großes Glas Bowle mit extra vielen Früchten.
    «Willkommen in der Lebensgemeinschaft ‹Seelenfrieden›!»
    Christa lachte laut los, während Ocke die Gesichtszüge entglitten: Wie kam Imke dazu, ihrer WG diesen bescheuerten Namen zu geben? «Seelenfrieden» hießen Kleingartenvereine und Seniorenheime, was sollten die beiden Ladys von ihm denken? So alt war er nun auch noch nicht!
    «Der sexy Taxifahrer hat uns eingeladen», erklärte die mit dem weiten Ausschnitt fröhlich. Sie drehte sich zu Ocke. «Wie heißt du eigentlich, Schätzchen?»
    Schätzchen?
    «Ocke.»
    «Ich bin die Tamara aus Bottrop.»
    «Moin, Tamara», Imke reichte auch ihr ein Begrüßungsglas. Als Christa sich vorstellte, mied Ocke ihren Blick.
    «Otto, zeig uns doch mal dein Zimmer», hauchte Carla.
    «Ocke», verbesserte er sie.
    «Du bist süß, Otto», stellte Tamara fest und musste grundlos kichern.
    Christa schaute Ocke amüsiert an, der froh war, dass jetzt Imkes Lieblingsenkel Sönke mit seiner Frau Maria auftauchte.
    Maria sah klasse aus, sie trug eine ihrer dunkelblauen Marlene-Dietrich-Hosen, die sie selbst schneiderte, dazu ein schwarzes T-Shirt, was hervorragend zu ihren braunen Augen und den langen dunklen Haaren passte. Maria war Polizistin auf der Insel. Jetzt näherte sich ihr Vater, Imkes ältester Sohn Arne. Sein blond gefärbtes Haupthaar war seit seinem fünfzigsten Geburtstag vor sechs Jahren deutlich spärlicher geworden. Es folgten ein mondgesichtiges Paar, das Ocke noch nie gesehen hatte, und einige Leute von der Insel. Arne hatte in seinem Uralt- VW -Bus eine kleine Anlage mit Verstärker und Mikrophon mitgebracht, die Ocke nun mit ihm im Garten aufzubauen begann. Dann ging Ocke in sein Zimmer, um seine Gitarre zu holen, und sie konnten loslegen.
    Arne hatte praktisch sein Leben lang am Strand gelebt, er war einer der ersten Surfer auf Föhr gewesen, später dann Surflehrer und jetzt Strandkorbvermieter. Für einen coolen Hippie wie ihn war es selbstverständlich, immer eine Gitarre dabei zu haben. Er hatte ein festes Repertoire von ungefähr dreißig Songs, die er bei jeder Gelegenheit zum Besten gab, seit etwa vierzig Jahren. Die ständigen Wiederholungen hatten Arne nie genervt, er nahm sie wie den Sonnenuntergang, der ja auch immer wieder schön war.
    Er fing mit
Blowing in the wind
an, dann folgten
Country Road
und
Give
Peace a Chance
. Ocke begleitete ihn dezent und verlässlich auf seiner E-Gitarre. Er fand, dass Arne tatsächlich eine wunderschöne warme Stimme hatte. Wenn er wollte, konnte er die Töne richtig schluchzen wie ein echter Schlagersänger. Teilweise sang er mit geschlossenen Augen, als überwältige ihn die Musik spontan. Da hätte er beruflich richtig was draus machen können.
    Mit dem

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