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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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Pitschi’s war ja fast euer Wohnzimmer.»
    Maria legt die Stirn auf das Lenkrad, ihre Haare fallen über den runden Drehzahlmesser.
    «Klar, für dich war Arne der coole Onkel mit den coolen Surferfreunden», beschwert sie sich.
    «Ja, und?»
    Sie richtet sich auf und schaut geradeaus auf die Straße: «Wie hohl die alle waren, hast du gar nicht mitbekommen.»
    «Und wennschon, es war immer lustig bei euch.»
    Maria lehnt sich nach hinten in den Sitz. «Und deine Familie? War die nicht lustig?»
    «Du kennst doch meinen Vater. Er ist o.   k., aber irgendwie auch ein typischer Beamter.»
    Das Einwohnermeldeamt in Norderstedt und das Surfercafé am Strand sind schon ziemlich unterschiedliche Arbeitsplätze.
    Maria lächelt versonnen.
    «Ich war mal bei euch zu Besuch, da bin ich mit ihm am Wochenende zu einer türkischen Familie gefahren. Die brauchten dringend irgendwelche Dokumente für ihre Türkeireise.»
    «Ja, so ist er.»
    «Für deinen Vater sind die Antragsteller keine Nummern, sondern ernstzunehmende Menschen. Das hat mir imponiert.»
    «Ja, aber   …»
    «Und deine Mutter gibt den Menschen bei Fielmann das Sehen wieder. Tante Geeske hat mir mal gesagt, der erste erstaunte Blick eines Kunden durch eine neue Brille sei ihre eigentliche Belohnung.»
    «Echt?»
    «Von solchen Eltern habe ich immer geträumt.»
    «Ich habe sie immer respektiert, es sind meine Eltern, und sie haben ihre guten Seiten. Aber der Joker war mein Surfonkel auf Föhr. Ein friesischer Buddhist! Wer hat schon so jemanden in der Familie?»
    «Buddhist? Hat er das tatsächlich behauptet?»
    In diesem Moment wird mir klar: Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass Arne Maria allein großgezogen hat. Marias leiblicher Vater hatte sich schon vor ihrer Geburt vom Acker gemacht, ihre Mutter kannte nur seinen Hippie-Namen, Gandalf, eine Urlaubsbekanntschaft auf Ibiza. Der Mann ahnt vermutlich bis heute nichts von seiner Tochter. Marias Mutter kam dann mit ihrer kleinen Tochter nach Föhr, warum auch immer, heiratete spontan Arne – und verschwand ein Jahr später in Richtung Indien. Ihre Tochter ließ sie bei Arne zurück. Dass Maria nicht seine leibliche Tochter ist, spielte für Arne nie eine Rolle, er kümmerte sich wie selbstverständlich um die Kleine und adoptierte sie kurz nach der Scheidung. Sonst wäre Maria wohl in ein Heim gekommen.
    «Hast du deine Mutter eigentlich mal wiedergesehen?»
    Maria schaut nach vorn durch die Windschutzscheibe.
    «Wir haben seit ein paar Jahren hin und wieder Kontakt.»
    «Was macht sie denn?»
    «Nachdem sie jahrelang Puppenspielerin in einem rollenden Marionettentheater war, hat sie als Kellnerin in einem Restaurant angefangen. Und seit einem Jahr hat sie ihren Frieden mit der Welt geschlossen.»
    «Was heißt das denn?»
    Maria lächelt: «Ihre Eltern haben ihr viel Geld und ein Haus am Genfer See vermacht, da lebt sie jetzt.»
    Ich lächle. «Dann bist du also eine gute Partie.»
    Sie zuckt mit den Achseln: «Sowieso.»
    «Und was macht die Liebe auf der Insel?», frage ich beiläufig.
    «Du bist genauso eine Nervensäge wie früher», wütet Maria zurück.
    Das trifft mich tiefer, als ich es für möglich gehalten hätte. «So hast du mich damals gesehen?»
    Ich schaue beleidigt durch die Seitenscheibe auf die Straße. Es fühlt sich fast so an, als hätte sie gerade mit mir Schluss gemacht, obwohl das natürlich Quatsch ist. Jetzt weiß ich wenigstens, in welcher abartigen Realitätsferne ich meine Pubertät verbracht habe.
    Vollkommen unerwartet legt Maria ihre rechte Hand auf meine. Haut an Haut.
    «Tut mir leid, Sönke, das ist mir nur so rausgerutscht.»
    Ihre Augen suchen meinen Blick.
    Ich drehe mich zu ihr: «Und wie war es wirklich?»
    Das erste Mal in meinem Leben traue ich mich, sie das zu fragen. Maria lässt ihre Hand liegen, wo sie ist, während sie auf das Armaturenbrett mit den Rundinstrumenten schaut und mit der anderen Hand ganz leicht über den Blinkerhebel streicht, ohne ihn auszulösen.
    «Ich habe dich immer total gern gemocht. Sogar mehr als gern.»
    Mein Magen fühlt sich weich und hart zugleich an: «Warum hast du mir das nie gesagt?»
    «Du hast mich nie an dich rangelassen.»
    «Wie bitte?»
    In Wirklichkeit war es so, dass ich erst sehr spät eine erste Freundin hatte, weil Maria immer dazwischenstand. Meine Eltern – und noch schlimmer: meine Freunde – hielten mich bei Mädchen für einen absoluten Spätzünder.
    Das alles beruhte einzig und allein auf einem

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