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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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Missverständnis?
    Weil wir zu schüchtern waren?
    Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn es damals mit uns geklappt hätte?
    Maria starrt weiter auf die Rundinstrumente ihres Mini One. Am liebsten würde ich sie jetzt umarmen. Einfach so. Doch dazu müsste ich mich umständlich über den Gangknüppel zu ihr beugen. Außerdem, wer weiß, zu welchen neuen Missverständnissen das führen würde?
    Kann ich mir sicher sein, wie sie das eben gemeint hat?
    Maria räuspert sich und schluckt.
    «Dann lass uns mal», sagt sie, entzieht vorsichtig ihre Hand und stößt die Fahrertür auf.

9.   Große Welle
    Die Urlauber starren Maria neugierig an, als sie die Treppen vom Deich auf die Promenade direkt auf das Pitschi’s zugeht. Unterhalb ihres kurzärmligen Uniformhemdes trägt sie am breiten Gürtel Handschellen, Funkgerät, Pfefferspray und eine schwere Pistole. Sie schüttelt ihre Waden aus, als wollte sie in wenigen Sekunden zum Sturmangriff übergehen.
    Wir tun beide so, als hätte es das Geständnis eben nicht gegeben, die Suche nach Oma geht jetzt vor.
    Neben dem Pitschi’s liegen unzählige Surfbretter auf Ständern, Neoprenanzüge hängen zum Trocknen über Stangen. Da etwas Wind aufgekommen und wieder Flut ist, ist es rappelvoll auf dem Wasser; an Land bleiben überwiegend Zuschauer und sonstige Touristen. Zwischen den Surfbrett-Ständern und dem Strandrestaurant bliebt Maria stehen und hebt die Arme in die Luft, um den Rücken zu strecken.
    «Letzte Woche haben wir hier einen Dealer verhaftet», erinnert sie sich.
    «Marihuana?»
    «Ecstasy.»
    «War dein Vater dabei?»
    «Es war einer seiner besten Freunde.»
    Oje.
    «Und? War Arne stolz auf seine Tochter?»
    «Wenn ja, hat er es jedenfalls nicht gezeigt.»
    Klingt nicht gut.
    Nach allem, was sie eben erzählt hat, muss Arne für Maria in der Pubertät ein peinlicher Berufsjugendlicher gewesen sein, eine Art alternder Schlagerstar, der auch Frauen in ihrem Alter anbaggerte. Andererseits hatte sie ihm für all das dankbar zu sein, was er für sie getan hatte. Beides zusammen war auf Dauer kaum auszuhalten, weshalb sie die Insel mit sechzehn für die Polizeiausbildung verließ. Bis die Strafversetzung sie zurück auf START katapultierte.
    Wir gehen ein paar Schritte weiter.
    «Warte   …», wispert Maria mir zu.
    Aus den Lautsprechern dröhnt Bob Marley, und obwohl die Terrasse gut besucht ist, hört man schon von weitem Arnes Stimme. Ich bin gespannt, wie er auf mich reagiert. Nach unserem Streit wird es ihm nicht gefallen, dass ich hier auftauche.
    «Lauschangriff?», flüstere ich zurück.
    Maria hebt bestätigend den Daumen. Wir stehen eng nebeneinander, achten aber darauf, dass wir uns nicht berühren. Jetzt nimmt Maria ihre blaue Uniformmütze ab und spielt nervös damit herum. Arne hält gerade einen Monolog.
    «…   auf Hawaii ist das eine ganz andere Dimension. Es ist total verrückt, die Surfer da wirken auf den ersten Blick wie zurückgeblieben, die haben so einen leeren Ausdruck in den Augen, dass du denkst, sie sind blöd. Aber das stimmt nicht. Die hören dir nicht zu, weil sie in Gedanken immer beim Meer sind. Vom Strand aus sehen die Wellen gar nicht so riesig aus, aber wenn du dann mit dem Brett rausschwimmst,merkst du, dass sie ungefähr so groß sind wie ein Mehrfamilienhaus. Jeder Surfer dort wartet auf die eine Welle. Ich habe sie erlebt. Es ist völlig überwältigend.»
    Die Story von der großen Welle auf Hawaii war schon damals Arnes One-Hit-Wonder. Man hört beim ersten Mal fasziniert zu, wenn er die Mischung aus Angst und Glück beschreibt, die er verspürte, als er auf dem zehn Meter hohen Wellenkamm eine ganze Stunde lang in Richtung Küste ritt. Er hatte sich extra dafür mit dem «Heli» mitten auf dem Pazifik absetzen lassen.
    So weit seine Version.
    Alle Mitglieder der Familie Riewerts können tatsächlich bestätigen, dass er vor dreißig Jahren vierzehn Tage auf Hawaii war. Allerdings könnte man einwenden, dass er die ganze Zeit mit einem fiesen Magen-Darm-Virus im Hotelzimmer lag und daher niemals auf einem Brett gestanden haben kann. Aber das würde keiner von uns je tun, was eindeutig zu den Nettigkeiten unserer Familie zählt.
    «Verstehst du, stundenlang draußen auf dem Meer zu sein und auf die richtige Welle zu warten hat mit Zen zu tun – kennst du Zen?»
    Eine junge Frauenstimme haucht bewundernd: «Na ja, was man so kennt. Wie meinst du das denn speziell?»
    «Die Leere», erklärt Arne bedeutungsvoll gedehnt,

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