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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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«erst in dir, und dann verschmelzen plötzlich Körper, Brett und Ozean.»
    Auch Maria sieht für einen kurzen Moment leer aus.
    Dann senkt sie wütend den Kopf wie ein Stier: «Zugriff!»
    Eine halbe Sekunde später taucht zwischen den leichtbekleideten Surfern eine Polizistin in geschlossener, dunkelblauer Uniform auf, zusammen mit einem Mittdreißiger in kurzen hellen Cargohosen und schwarzem T-Shirt , der nichtgerade wie ein Zivilfahnder aussieht. Arne hockt mit nacktem, braungegerbtem Oberkörper neben einer glatzköpfigen Punkerin an der Bar. Die Frau hat sechs Ohr-, zwei Nasenringe und ein Lippenpiercing. Sie ist ungefähr zehn Jahre jünger als Maria und dreißig Jahre jünger als Marias Papa.
    «Scheiße, die Bullen!», flucht die Punkerin und knallt ihre Bierflasche auf den Tresen.
    Doppelt peinlich für Arne.
    «Moin, Papa», grüßt Maria süffisant.
    «Äh, Maria? Moin, Sönke   …»
    Die Punkerin starrt die Polizistin, die jetzt vor ihr steht, feindselig an.
    «Kennst du die?», erkundigt sie sich bei Arne mit offenem Entsetzen.
    Ich schaue zu Maria und freue mich darüber, wie sie sich freut.
    «Auf der Insel kennt jeder jeden», windet sich Arne und hofft, sich mit diesem kleinen Scherz aus der Affäre zu ziehen.
    «Klar, deswegen sage ich hier auch ‹Papa› zu allen», erklärt Maria der Punkerin.
    «Man sieht sich», verabschiedet die sich prompt. Arne schaut ihr nachdenklich hinterher.
    «Mutt hat al drank?», erkundigt sich Maria auf Friesisch:
Darf die schon trinken?
    Arne holt Luft, als ob er Maria etwas erklären wollte, dann blafft er mich an: «Na, hetzt du jetzt auch noch meine Tochter gegen mich auf? Oder wie ist das?»
    War ja klar. Ich gehe nicht drauf ein.
    «Deine Mutter ist verschwunden», erkläre ich Arne stattdessen, «sie macht die Tür nicht auf, obwohl wir verabredet waren. Weißt du, wo sie steckt?»
    Arne reagiert gereizt: «Nein. Aber sie ist wohl erwachsen, oder?»
    «Und wenn ihr was passiert ist?», sorgt sich Maria.
    Arne beobachtet die Punkerin, die in Richtung Wasser verschwindet.
    «Was soll ihr passiert sein? Sie ist sechsundsiebzig und kerngesund.»
    «Gestern hat sie sich dermaßen volllaufen lassen   …», kläre ich Arne auf.
    Der lacht, ohne uns anzuschauen: «Mama? Niemals.»
    Es hat sich also noch nicht herumgesprochen.
    Maria widerspricht vehement: «Und wie! Ich war dabei.»
    Jetzt sieht Arne mich an, um sich zu vergewissern, dass seine Tochter ihn nicht auf dem Arm nimmt: «Echt?»
    «Maria und ich haben sie aus dem Watt gezogen, sie konnte nicht mehr stehen», setze ich nach.
    «Und wieso?»
    «Glaubst du, das Gezerre um das Haus bringt ihr Spaß?», erinnert Maria ihren Vater.
    Arne überlegt einen Moment, dann weist er mit dem Zeigefinger auf mich: «Das musst du Sönke sagen, nicht mir.»
    Mein netter Onkel, der Held meiner Kindheit.
    «Was ist nun», frage ich, «weißt du was oder nicht?»
    «Warum habt ihr nicht schon vorher angerufen?», meckert Arne.
    Maria stemmt die Arme in die Hüften: «Dein Handy ist aus.»
    «Was? Schiete.»
    Arne fummelt an seinem Handy herum, hält es ans Ohr und hört seine Mailbox ab.
    «Wer weiß, wie ihr Herz auf den Alk reagiert», frage ichmich laut. Kurze Zeit später reicht uns Arne sein Handy. Er sieht plötzlich sehr blass aus. «Hört euch das an.»
    Maria und ich stellen uns eng nebeneinander, halten uns jeweils ein Ohr zu und hören mit dem anderen die Mailbox ab. Unsere Köpfe berühren sich dabei unausweichlich. Erst hört man gar nichts, dann ein Rauschen, vielleicht ist es auch ein Keuchen, jemand, der in Atemnot ist. «Arne   …?», greint Oma Imkes Stimme durch den Hörer. «Also   …» Dann hören wir wieder nur das Rauschen, bis es abbricht.
    «Das war Oma», sage ich ängstlich.
    «Hast du einen Schlüssel für ihre Wohnung?», erkundigt sich Maria hastig bei ihrem Vater.
    Der reißt mir das Handy aus der Hand: «Nee.»
    Maria tänzelt nervös von einem Bein aufs andere.
    «Wieso nicht?», schimpft sie, «es kann doch immer mal was sein.»
    «Verbummelt», greint Arne beschämt.
    «Wir müssen trotzdem rein», rufe ich.
    Und schon quetschen wir uns zu dritt in den Mini, ich gehe freiwillig nach hinten. Maria verscheucht mit ihrer Hupe ein paar Radfahrer und fährt mit durchdrehenden Reifen los. Wir haben trotzdem alle das Gefühl, dass es viel zu lange dauert.

10.   Gefahr im Verzug
    Maria rast wie eine Irre durch die Tempo-dreißig-Zone und überholt, wo sie kann – und wo sie eigentlich

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