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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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vierundzwanzig Stunden wieder auf», winkt Maria ab.
    «Und wenn nicht?»
    «Der fehlende Rucksack und die anderen Sachen sprechen für eine ganz normale Reise», pflichte ich Maria bei.
    «Und wenn nicht?»
    «Wir können im Moment nichts tun.»
    Arne ist außer sich, seine Augenlider flattern, als Maria ihn am Arm festhält: «Bedeutet dir deine Großmutter denn gar nichts?», fragt er.
    «Wo sollen wir deiner Meinung nach anfangen zu suchen?», gibt Maria zurück, «sie kann aufs Festland gefahren sein oder sonst wohin.»
    Arne läuft nervös auf und ab.
    «Ich gehe zur Fähre und rede mit den Leuten», überlegt er laut, «wenn Mama aufs Festland gefahren ist, hat sie dort jemand gesehen, die kennen sie ja alle.»
    «Wie heißt denn Omas Hausarzt?», erkundige ich mich.
    «Dr.   Behnke, in der Mühlenstraße», antwortet Maria, «bei dem war ich auch schon mal, ist aber lange her.»
    «Dann gehe ich jetzt zu ihm und rede mit ihm über das Herzmittel.»
    «Gute Idee, ich komme mit», bietet Maria an, was mich freut. Irgendetwas hat sich verändert, seit wir zusammen das Pitschi’s gestürmt haben. Ob ihre kleine Beichte der Auslöser war? Dann wäre es allerdings typisch für sie, wennsie jetzt wieder auf Distanz ginge, um es ungeschehen zu machen.
    Aber das tut sie nicht.
    «Was machen wir mit der Balkontür?», sorge ich mich, «die geht nicht mehr zu.»
    Maria schaut mich verständnislos an.
    «Der Sandwall ist nicht die Reeperbahn», klärt sie mich auf.
    Die Band hinter uns ist plötzlich bei Gitte angelangt:
Ich will alles, und zwar sofort, bis der letzte Traum in mir zu Staub verdorrt
. Nach
Beat it
von Michael Jackson ist das ein harter Schnitt. In ihrer Heimat sind die Vollblutpunks, da bin ich inzwischen sicher.

11.   Gepäck ist doch keine Krankheit
    Die Arztpraxis von Dr.   Behnke liegt in einem wunderschönen reetgedeckten Bauernhaus. Vor der schweren Holztür löst Maria ihren Pferdeschwanz und schüttelt das lange Haar kurz kopfüber aus. Es ist ihr etwas unangenehm, dass ich sie dabei beobachte.
    Weiß Maria eigentlich, wie gut sie aussieht?
    So viel steht fest: Wenn ja, will sie es aus irgendeinem Grund nicht wahrhaben – und das ist bei ihr keine Koketterie. Männer, die ihr Komplimente machen, haben sofort verloren, das weiß ich noch von früher. Für wen hat Maria in den letzten Jahren wohl die Burgtore heruntergelassen? Für starke Helden? Oder hat sie eher streunende Hunde und Katzen eingesammelt? Weil sie über die nie die Kontrolle verlor?
    Ich öffne die dunkelgrüne Holztür und lasse meiner Cousine den Vortritt, wofür sie sich mit einem leichten Schrägstellen des Kopfes bedankt. Wir gelangen in einen kleinen Raum, dessen Decke und Wände vollständig mit alten blauen friesischen Kacheln bedeckt sind. Was für eine Verschwendung für einen Vorraum, ich bin begeistert! In der Mitte des Raumes steht ein klobiger Bauerntisch mit den üblichen Aktenordnern und PC, an der Wand alte Büroschränke mit weiteren Akten.
    «Was kann ich für Sie tun?», erkundigt sich die braungebrannte Sprechstundenhilfe mit den künstlichen Wimpern hinter einer Designerbrille aus hellem Holzimitat. Sie ist etwa Mitte zwanzig und trägt nicht die übliche weiße Kleidung, sondern ein leichtes, seidenes Sommerkleid mit grünem Blumenmuster, was nicht so recht zu den Kacheln passen will.
    «Wir würden gerne Herrn Dr.   Behnke sprechen. Es ist dringend», bittet Maria, während ich ihre Uniformmütze in der Hand halte und damit herumspiele. Komisches Gefühl, mit kurzer Hose zum Arzt zu gehen. Das ist mir erst einmal passiert, in Portugal, als ich in einen Seeigel getreten war.
    «Um was geht es denn?»
    Maria beugt sich vor.
    «Es ist privat», raunt sie leise.
    Die Sprechstundenhilfe rührt das nicht.
    «Bitte sagen Sie Dr.   Behnke, dass es um Imke Riewerts geht», erwidert Maria ebenso ungerührt, aber mit deutlich strengerem Blick.
    Das scheint zu wirken. Die Arzthelferin bittet uns, im Wartezimmer Platz zu nehmen, und verlässt den Vorraum.
    Wenn es ein Buch mit dem Titel «Die zwanzig faszinierendsten Wartezimmer der Welt» gäbe, wäre Dr.   Behnkes mit Sicherheit dabei. Zu diesem Arzt würde ich auch gehen, wenn er der letzte Pfuscher wäre. In Hamburg kenne ich Wartezimmer überwiegend mit Lamellengardinen, Hydrokulturen und Kunstdrucken. Hier hingegen ist es ziemlich dunkel, und es riecht nach Holzrauch. Die Decke wurde herausgenommen, sodass man direkt unter dem Reetdach sitzt, die

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