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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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mit der Gewerkschaft als Sieger hervorzugehen», stellte Humphrey richtig. «Wenn wir uns nicht eingemischt hätten, wäre sie wahrscheinlich ganz wohlbehalten mit ihrem Frachter zurückgekommen.»
    «Und alle Zeitungsreporter in London hätten vor unserer Tür auf sie gewartet», sagte Lady Eleanor schaudernd. «Wenigstens haben wir bis jetzt die schlimmsten Skandale aus den Zeitungen herausgehalten.!»
    Schon seit langem war Lady Eleanor an der Meinungsbildung ihres Mannes maßgeblich beteiligt. Alle seine Entscheidungen, auch wenn sie noch so bestimmt geäußert wurden, gaben nur die ihren wieder. Und sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß es nur eine Frage der Zeit sei, bis sie Humphrey zu demselben Modell eines guten, rücksichtsvollen Ehemannes und Vaters geformt hatte. Eine von Natur aus ernste Veranlagung hatte, zusammen mit der konventionellen Erziehung der Familie Napier, schon das ihre zu der Erreichung dieses Zieles beigetragen, aber -wie Lady Eleanor nur zu gut wußte - neigte ihr Sohn immer noch zu gelegentlichen plötzlichen Abweichungen von diesem Napierschen Ideal.
    Keiner in der Familie war für einen besonders entwickelten Sinn für Humor bekannt, aber von Humphrey wußte man, daß er über einige der milderen Abenteuer seiner Tante gelacht hatte. Er neigte außerdem dazu, Familienentscheidungen anzufechten, wie auch in diesem Falle.
    «Warum warten wir nicht einfach ein paar Wochen ab und sehen, was noch passiert?» schlug er vor.
    «Die Beurteilung dieser Situation mußt du schon mir überlassen», sagte Mr. Napier. «Wir können dich im Moment gut in der Kanzlei entbehren. Du hast doch erst im vorigen Monat erwähnt, daß du bald Urlaub machen wolltest -»
    «Ja», stimmte Humphrey verärgert zu. «Aber nicht in Moskau.»
    «Wenn wir dich also hinschicken, wird es vermutlich nur eine Woche dauern, um diese Geschichte zu erledigen.»
    «Aber woher weißt du, daß ich ein Visum bekomme?» wandte Humphrey ein. «Und was, um Gottes willen, soll ich Tante Lavinia sagen, wenn ich dort auftauche?»
    «Wegen des Visums werde ich noch einmal beim Auswärtigen Amt vorsprechen, und Tante Lavinia wird kaum in der Lage sein zuwidersprechen, wenn du ihre Hotelrechnung bezahlt hast. Wenn sie sich weigert, mit dir zurückzukommen, mußt du die Botschaft bemühen. Die Leute dort werden die Gefahren der Situation viel eher erkennen als diese hoffnungslosen jungen Männer, die da hinter ihren Schreibtischen im Auswärtigen Amt sitzen. Ich muß wirklich versuchen, an jemand mit mehr Einfluß heranzukommen.»

6

    Miss Baker fand heraus, daß es relativ einfach war, ihr Visum zu verlängern. Sie hatte keineswegs die Absicht, persönlich beim sowjetischen Außenministerium vorzusprechen und sich dort langen und ermüdenden Unterhaltungen zu unterziehen.
    An dem Morgen, an dem die Delegation abreiste, blieb sie einfach im Bett. Das Zimmermädchen, das das Zimmer aufräumen wollte, war überrascht, Miss Baker noch vorzufinden, und meldete die Angelegenheit dem Hotelverwalter. Innerhalb einer Stunde gelang es Miss Baker, durch einen Dolmetscher zu erklären, daß ihr Gesundheitszustand, ohnehin nie einer der kräftigsten, sich plötzlich verschlechtert habe und sie sich einer Flugreise zur Zeit nicht gewachsen fühle. Sie müsse - und das komme auch für sie äußerst ungelegen - ihre Abreise um einige Tage verschieben. In der Zwischenzeit wolle man doch so freundlich sein und dafür sorgen, daß in ihrem Paß die nötigen Eintragungen vorgenommen würden.
    Miss Baker wurde völlig hilflos, als man ihr zu erklären versuchte, daß ihr Visum am selben Abend ablaufe. Sie schien offensichtlich nicht zu wissen, was ein Ausreisevisum war, und noch weniger sagten ihr Zimmervorbestellungen und geldliche Dinge etwas. Sie war eine sehr kranke alte Dame, die Ruhe, Freundlichkeit und Rücksichtnahme brauchte.
    «Die Unterbringungsmöglichkeiten in diesem Hotel sind sehr begrenzt», erklärte der Dolmetscher vorsichtig. «Ihr Zimmer war bis heute morgen zusammen mit den anderen der Delegation gebucht, und bis heute sind auch alle Rechnungen beglichen. Vielleicht wäre es das beste, wenn wir Ihre Botschaft verständigten und dafür sorgten, daß Sie in ein Krankenhaus kommen? »
    Miss Baker sagte mit schwacher Stimme, daß sie das nicht für nötig halte. Sie habe glücklicherweise «diese Reisegutscheine», die zu kaufen ihr jemand in London nachdrücklich geraten habe. Sie hoffe, daß ihr diese Gutscheine jetzt bei den

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