Oma klopft im Kreml an
Einladung der Antifaschistischen Liga hier, und alle Ausgaben werden von der Sowjetunion getragen.»
«Dann werde ich das Bild an die Prawda schicken und den Genossen mal zeigen, wie sich diese dekadenten Delegationen benehmen, sobald sie fünf Minuten aus den Augen gelassen werden.»
«Hör auf mit den Albernheiten, Stew», mischte sich Jackie ein. Sie konnte kaum glauben, daß Mrs. Cartwright diese unsinnige Unterhaltung ernst nahm. «Er nimmt Sie nur auf den Arm, Mrs. Cartwright. Du gibst mir sofort den Film, Stewart, oder ich lade dich nie wieder ein.»
«O nein. Ich bin ein skrupelloser Journalist und lasse mir meine Knüller nicht abhandeln.» Ferguson amüsierte sich über das Ganze und war in angeheiterter Stimmung. «Im Augenblick ist nichts los in Moskau, und ich habe seit Wochen keine gute Story gehabt. Ich sag Ihnen also, was ich tun werde. Sie geben mir einen wirklich farbigen Bericht von Ihrer Tour, und ich verspreche Ihnen, das Bild nicht zu bringen.»
«Unsere Tour ist nicht sehr farbig gewesen», begann Mrs. Cartwright unsicher.
«Und die alte Dame? Die sieht doch sehr farbig aus.»
«Miss Baker? Ja, die ist eine Type für sich, aber sie gehört eigentlich nicht zu unserer -»
«Erzählen Sie ihm nichts, Mrs. Cartwright. Er macht nur Blödsinn. Kommen Sie, tanzen Sie mit mir, Dr. Clark.»
Trotz Jackis Ermahnungen fühlte sich Mrs. Cartwright Stewart Fergusons Taktik nicht gewachsen. Er war ein sympathischer, sehr kontaktfreudiger junger Mann, und da er überzeugt war, daß Mrs. Cartwright eine Story für ihn hatte, setzte er sich neben sie, wurde überraschend nüchtern und begann, sie auszuholen.
«Ehrenwort», sagte er ernsthaft. «Kein Wort wird veröffentlicht, das Sie nicht vorher gesehen haben. Aber da ich es danach noch durch die sowjetische Zensur bringen muß, hoffe ich, daß Sie ein bißchen nachsichtig sind.»
«Aber unsere Delegation hat nichts Außergewöhnliches getan.»
«Was ist mit den Ansprachen bei Ihrem Bankett heute abend? Ich habe gehört, daß Patricia Cartwright manchmal sehr überraschende Reden hält.»
«Oh, Miss Baker hat uns alle völlig in den Schatten gestellt.»
«Die alte Dame? Das sieht ja vielversprechend aus...»
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Stewart Ferguson den größten Teil des Wortlauts von Miss Bakers Rede hatte und Mrs. Cartwright nach Einzelheiten über sie ausfragte.
«Aber ich weiß nichts über sie. Ich glaube, sie ist eine ganz gewöhnliche Touristin.» Als Mrs. Cartwright sie näher beschreiben sollte, merkte sie, daß sie in den vierzehn Tagen kaum etwas über sie erfahren hatte, außer einer Sammlung offenherziger Meinungen über alles und jedes.
«Es ist, glaube ich, besser, wenn Sie sich mit ihr selbst unterhalten. Sie müssen sie ja sowieso wegen der Rede um Erlaubnis bitten.»
Dabei gab es keinerlei Schwierigkeiten. Miss Baker, die sich in einer Ecke von einer Gruppe energischer junger Leute im Rumba unterrichten ließ, gestand, daß sie überhaupt nicht mehr wußte, was sie bei dem Bankett gesagt hatte.
«Aber da ich nie etwas sage, was ich nicht meine, habe ich nicht das geringste dagegen, wenn jemand es drucken will.»
Sie fügte beißend hinzu, daß die Rede aber wohl kaum eine gute Story abgeben werde, da ja keiner ihrer russischen Zuhörer auch nur im geringsten gewillt gewesen sei, ihren Rat anzunehmen.
«Nun ja, es ist nicht gerade welterschütternd, aber es ist immerhin das Beste, was ich seit Wyschinskis Begräbnis gehabt habe.»
Wie sich herausstellte, waren beide im Irrtum. In der Nachrichtenredaktion des Daily Guardian war es an diesem Abend ungewöhnlich ruhig. Den Gedanken, daß eine ältliche englische Jungfrau den Kommunisten nahelegte, fröhlich und frivol zu sein, fand der Chefredakteur ungeheuer komisch, und so erschien der Artikel über Miss Baker an auffälliger Stelle auf der ersten Seite.
5
Die Familie Napier frühstückte stets punkt halb acht. Mr. Herbert Napier hatte dann gerade noch Zeit, einen Blick in die Times zu werfen, ehe er mit seinem Sohn Humphrey die zwölf Kilometer nach Oxted fuhr, um den Zug 8 Uhr 34 nach London zu erreichen.
Humphrey blätterte im allgemeinen den Daily Guardian beim Frühstück durch und sparte sich den Telegraph für die Zugfahrt auf, während der sein Vater in der gegenüberliegenden Ecke des Abteils die Times noch einmal in allen Einzelheiten las.
Sich beim Frühstück zu unterhalten, galt bei den Napiers als überflüssig.
Lady Eleanor, ein großes
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