Oma klopft im Kreml an
Privatwagen, und erst nach einiger Zeit konnte Humphrey einen hilfsbereiten Zollbeamten finden, der ein wenig Französisch sprach.
Von ihm erfuhr er, daß er sich an Intourist wenden müsse, die allumfassende Organisation für ausländische Touristen. Aber Intourist war seltsamerweise abgeneigt, um Mitternacht etwas für Humphrey zu tun. Es war vier Uhr geworden, ehe sie sich überreden ließen, einen Wagen von Moskau zum Flugplatz zu schicken, sechs Uhr, als er in der Stadt ankam, acht Uhr, bis er jemand finden konnte, der willens war, sich für einen zurückhaltenden Engländer zu interessieren, der so höflich und so wenig nachdrücklich seine Wünsche vortrug - und jetzt, um zehn Uhr, war der englische Dolmetscher immer noch nicht bei Intourist erschienen.
Humphrey rieb sein Kinn, das allmählich stopplig wurde, und fragte sich, ob sein Deutsch wohl gut genug war, um dem Empfangschef hinter dem Tresen zu erklären, daß er sich gern rasieren würde. In irgendeinem Hotel, nicht unbedingt in dem, für das er, wie er hoffte, vorgemerkt war -und dann ein Bad und Frühstück. Mit Französisch hatte er es schon versucht, dann mit einer etwas eigenwilligen Version von Italienisch und schließlich ziemlich verlegen mit Zeichensprache.
«Njet», sagte der Angestellte geduldig. «No ponimaju.»
Er deutete auf den Sessel, den Humphrey gerade verlassen hatte, dann auf seine Uhr und nickte ermutigend.
Inzwischen war es in dem Intourist-Büro etwas lebhafter geworden. Leute kamen herein, holten Fahrkarten ab und ließen sich Auskunft geben. Da das alles auf russisch vor sich ging, nahm Humphrey von dem Getriebe wenig Notiz.
Aber sosehr er auch mit seinen eigenen Problemen beschäftigt war, konnte das junge Mädchen, das wenige Minuten später durch eine Seitentür hereinkam, seiner Aufmerksamkeit kaum entgehen. Sie war schlank, dunkelhaarig und - lebendig, dachte Humphrey. Ihr gelbes Baumwollkleid leuchtete in dem düsteren Büro wie ein Sonnenstrahl, und ihr Gesicht erschien ihm wie eine Vision aus einem Farbfilm nach einem langen Vorprogramm in Schwarz-Weiß - bis ihm klarwurde, daß sie das erste Mädchen mit Make-up war, das er an diesem Morgen sah.
Humphrey war in einem Alter, in dem ihn hübsche Mädchen stark interessierten. Er war gewöhnt, als begehrenswerter Junggeselle angesehen zu werden, und da er mit einem normalen Maß an Eitelkeit gesegnet war, wußte er, was das hieß. Er war zweiunddreißig Jahre alt. In der Rechtsanwaltsfirma seines Vaters wartete eine gediegene Zukunft auf ihn. Er war groß, blond und äußerst gut gekleidet - wenn er sich nicht gerade die ganze Nacht um die Ohren geschlagen hatte. Und er war in dem gefährlichen Alter, in dem Heiraten und die Erringung eines Weibes einen großen Teil seiner Gedanken in Anspruch nahmen. Der einzige Grund, warum er bis jetzt noch nicht geheiratet hatte, war darin zu suchen, daß er dem Mädchen, das alle von ihm gewünschten Voraussetzungen erfüllte, noch nicht begegnet war. Und je älter Humphrey wurde, desto länger wurde die Liste dieser Voraussetzungen.
Dieses Mädchen zum Beispiel - das gerade das Intourist-Reisebüro betreten hatte - war überhaupt nicht sein Typ, obgleich Humphrey wußte, daß die meisten Männer sie sehr attraktiv finden würden. Er beobachtete sie, während sie den Marmorfußboden des Büros überquerte. Ihr energischer Schritt ließ darauf schließen, daß sie genau wußte, was sie wollte und das auch selbständig ausführen würde. Dieses Mädchen war zu selbstsicher und bestimmt. Humphrey wünschte sich vor allem ein ruhiges Mädchen, ein sanftes, feminines, unselbständiges.
Trotzdem beobachtete er das Mädchen weiter, als sie lächelnd mit dem Angestellten sprach, dem das sehr zu gefallen schien. Er wurde viel freundlicher, blätterte nach kurzer Unterhaltung in einem Stapel Briefe und zog einen, der offenbar für die junge Dame bestimmt war, hervor.
Sie öffnete ihre Tasche, zahlte einige Rubel, und dann wurde die Unterhaltung zwischen beiden noch lebhafter. Humphrey hatte den Eindruck, daß sie über ihn sprachen, und tatsächlich sah das Mädchen in seine Richtung, lächelte und kam mit ihrem zielbewußten Gang auf ihn zu.
«Guten Morgen», sagte sie ohne die Spur eines Akzents. «Ich kann Ihnen vielleicht helfen. Der Herr meint, Sie seien Engländer.»
Humphrey erhob sich verlegen.
«Das ist sehr freundlich von Ihnen. Das dumme ist, daß ich überhaupt nicht Russisch spreche -»
«Mein Russisch ist nicht
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