Oma klopft im Kreml an
besonders gut, aber solange Sie nichts allzu Schwieriges wollen, wird es wohl reichen.»
«Ach, und ich dachte, Sie wären Russin», stammelte Humphrey. Als sie lachte, verengten sich ihre Augen fast zu Schlitzen,, und ihre Stimme wurde tiefer. «Sie sind offensichtlich noch nicht lange hier», sagte Jackie Marsh freundlich.
Humphrey war sich durchaus nicht sicher, ob er sich von diesem energischen Mädchen helfen lassen wollte. Aber wenn er nicht noch ein paar Stunden bei Intourist herumsitzen wollte, gab es wohl keinen anderen Ausweg.
«Ich habe telegrafisch von London ein Hotelzimmer bestellt. Selbst wenn man nicht herausfinden kann, wo dieses Hotel steht, muß ich unbedingt irgendwo baden und mich rasieren.»
«Ja, das müßten Sie wirklich», sagte sie zustimmend und betrachtete ungeniert Humphreys Kinn. «Aber ich fürchte, nach so etwas habe ich noch nie fragen müssen, und deshalb weiß ich die russischen Wörter dafür nicht. Aber macht nichts. Irgendwie wird’s schon gehen.»
Sie wandte sich wieder dem Angestellten zu und mimte zu Humphreys größter Verlegenheit so überzeugend einen Mann, der sich rasiert, daß das Gesicht des Angestellten sofort verständnisvoll aufleuchtete.
«Er hat gesagt, Sie können zum Herrenfriseur im Hotel gehen.»
«In welchem Hotel?»
«In diesem natürlich. In dem wir jetzt sind.»
«Aber wir sind doch nicht im Hotel. »
«Doch. Wir sind im Metropol. Sie sind vielleicht von der Straße aus hereingekommen, aber die andere Tür, durch die ich gekommen bin, führt in die Hotelhalle. Fast alle Ausländer wohnen hier. Ich nehme sogar an, daß auch Sie hier wohnen. Wie heißen Sie?»
Sie schoß mit dieser Frage so direkt heraus, daß Humphrey fast instinktiv «Napier» sagte und sich dann über sich selbst ärgerte, weil er ihr damit indirekt Erlaubnis gegeben hatte, sich in seine Angelegenheiten zu mischen. Besonders ärgerlich war, saß sie das alles so mühelos machte und mit kaum mehr Russischkenntnissen, als er selbst besaß.
«Napier», sagte sie gebieterisch zu dem Angestellten. «Is London. Chotschet komnata. Ich habe ihm gesagt, daß Sie aus London sind und ein Zimmer haben wollen», fügte sie zu Humphrey gewandt hinzu.
«Danke», sagte Humphrey «Jetzt kann selbst ich sehen, daß Ihr Russisch wirklich nicht sehr geschliffen ist.»
«Ach, all dieser Schnickschnack wie (Würden Sie so freundlich sein> und (Ich wäre Ihnen so dankbar> ist ein solcher Zungensalat, daß man schneller fertig wird, wenn man ein paar Worte sagt und den Rest nur lächelt», stimmte sie zu.
Ihre Methode war auf jeden Fall wirksam. Der Angestellte geriet in ungeheuren Aufruhr, schlug in Büchern nach, blätterte in Karteien und ergriff das Telefon.
«Telegramma byla, telegramma», sagte sie. «Ich habe gesagt, Sie hätten ein -»
«- Telegramm geschickt», fuhr Humphrey fort.
Sie lachte, von Humphreys schwerfälligem Sarkasmus völlig ungerührt.
«Ich habe Ihnen doch gesagt, mein Russisch ist nicht sehr gut. Um es gleich zu sagen: in Spanien und Ägypten wäre es genauso wirkungsvoll wie hier. Aber es hat keinen Zweck, sich in gekonnter Grammatik zu versuchen, wenn man etwas haben will.»
Humphrey, der seine Rasur und das Frühstück sehr dringend haben wollte, stimmte zwar nicht ganz mit ihr überein, schwieg aber vorsichtshalber höflich.
Der Angestellte entschwand durch den Seiteneingang, und Jackie und Humphrey versanken in eine dieser Schweigepausen, die für Fremde, die sich eben erst durch Zufall kennengelernt haben, mit jeder Sekunde peinlicher werden.
«Sind Sie geschäftlich hier?» fragte Jackie höflich.
«Nein», sagte Humphrey. Wenn er diesem Mädchen erzählte, warum er in Moskau war, würde sie zweifellos Miss Baker für ihn ausfindig machen und auch diese Angelegenheit auf beste für ihn erledigen.
«Mit einer Delegation?»
«Nein.»
«Oh, Sie sind Kommunist?»
«Ganz bestimmt nicht.»
«Das habe ich mir auch gedacht. Aber andere Möglichkeiten gibt es für Engländer in Moskau kaum. Journalist sind Sie nicht.»
Das war eine Feststellung, keine Frage. Jackie Marsh fing an, ihr ursprüngliches Interesse an Humphrey zu verlieren. Englische Touristen waren in Moskau immer noch so rar, daß die Botschaft alles über sie erfuhr, und obgleich dieser Engländer sich seltsam dagegen sträubte, ihre Neugier zu stillen, würde sie zweifellos den Zweck seines Besuchs sehr bald erfahren - wenn es da viel zu erfahren gab. Wieder entstand ein langes
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