Oma klopft im Kreml an
schwarzen Tee trank. Miss Baker war bei der Geburtstagsfeier ein großer Erfolg gewesen, und Jackie erkannte sie ohne Schwierigkeiten wieder.
«Guten Morgen», rief sie, während sie durch den Saal auf sie zuging. «Ich dachte, Sie seien vor einer Woche abgefahren, Miss Baker. Wie geht es Ihnen?»
«Ich habe eine schwere Erkältung», sagte Miss Baker. «Kommen Sie mir nicht zu nahe, Kind.»
«Was für ein Pech», sagte Jackie mitfühlend. «Nehmen Sie etwas; dagegen?»
«Ich wüßte gar nicht, was ich in der Apotheke verlangen sollte», sagte Miss Baker. «Außerdem kann man da nicht viel tun. Wenn ich doch bloß eine Tasse richtigen starken Tee bekommen könnte. Das macht den Kopf so schön frei.»
Ihre Nase war wirklich sehr rot, ihre Augen tränten, und ihre Stimme klang heiser und müde.
«Kommen Sie zu mir nach Hause», sagte Jackie impulsiv. «Ich mache Ihnen einen Tee.»
«Aber müssen Sie denn nicht arbeiten?»
«Heute nicht. Ich habe gerade vierzehn Tage Urlaub. Ich bin heute morgen nur hierher gekommen, um meine Flugkarten abzuholen. Und jetzt gehe ich nach Hause und packe, und heute abend fliege ich nach Samarkand. Eine Kollegin von der Botschaft fliegt mit mir zusammen.»
«Samarkand? Wie aufregend», sagte Miss Baker sofort begeistert. Das war der kürzeste Weg zu Jackies Herz. Mehr als alles andere mochte sie Leute, die sich begeistern konnten - besonders, wenn sie sich an ihrèn eigenen Plänen begeisterten.
«Sie müssen mit zu mir kommen und bei mir Tee trinken», drängte sie. «Ich habe auch Hustenmedizin, die Ihnen vielleicht hilft.»
Miss Baker, die seit einigen Tagen nur noch die Zeit totschlug, nahm die Einladung dankbar an. Sie hatte immer noch keine Antwort auf ihre Briefe, und während ihr Mühen und Schwierigkeiten nichts ausgemacht hätten, wurde ihr dieses ziellose tagelange Warten fast unerträglich.
Jackies winzige Wohnung, die nun wieder normal aussah, gefiel Miss Baker ausgezeichnet. Sie war sonnig und aufgeräumt und enthielt eine überraschend große Sammlung interessanter persönlicher Kleinigkeiten. Eine gestreifte türkische Satteltasche hing über einem Stuhl, ein gemustertes ägyptisches Sitzkissen diente als Türstopper, auf einem Regal stand ein Glas mit Goldfischen, und an den Wänden hingen Chiantiweinflaschen und Kastagnetten.
Miss Baker war über das Alter hinaus, in dem sie Trophäen ihrer Reisen sammelte, aber sie gab - mit genau dem richtigen Grad von Neid in ihrer Stimme - bewundernde Ausrufe von sich.
«In wieviel Ländern Sie schon gewesen sein müssen. Und Sie sind doch noch so jung!»
«Die Party vorige Woche war mein fünfundzwanzigster Geburtstag.» Jackie brachte das Teegeschirr und räumte Bücher und Nähzeug vom Couchtisch. «Ich finde Reisen herrlich, und ich bin seit meinem neunzehnten Lebensjahr im auswärtigen Dienst.»
«Sie werden in all diese Länder geschickt? Sie Glückliche! Als ich so jung war, war das viel schwieriger. Im Auswärtigen Amt gab es damals keine Sekretärinnen, und die einzige Möglichkeit für ein Mädchen, bezahlte Reisen zu machen, war, Missionarin zu werden.»
«Und sind Sie das geworden?» Jackie fand zwar, daß Miss Baker sehr seriös aussah, konnte sie sich aber kaum als Missionarin vorstellen.
«O ja, aber es war eine sehr langweilige Art, in der Welt herumzukommen, und es dauerte auch so lange. Als ich endlich in zwei Ländern gewesen war und es gerade anfing, mir Spaß zu machen, war ich schon fünfunddreißig und beim alten Eisen.»
Miss Bakers durchdringende blaue Augen hefteten sich auf Jackies anziehendes junges Gesicht.
«Vor fünfzig Jahren war ich genauso hübsch wie Sie. In Ihrem Alter haben Sie natürlich das Gefühl, daß die Jugend noch lange dauert. Das tut sie auch. Aber die Jahre gehen so schnell vorbei, wenn man immer herumzieht. Hoffentlich machen Sie nicht denselben Fehler und warten zu lange.»
«Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht», lachte Jackie und kramte im Geschirrschrank nach ihrer Zuckerdose. «Ich würde gern noch ein oder zwei Posten lang im Außendienst bleiben. In Amerika bin ich noch nicht gewesen - und dann der Ferne Osten.»
«Und Afrika und Australien und alle Inseln im Pazifik», seufzte Miss Baker. «Je länger Sie das machen, desto schlimmer wird es. Bis schließlich nichts mehr übrig ist als die Wanderlust. Die ist zwar sehr interessant, aber man kann sie nicht mit jemand teilen. Ich denke oft, daß ich am meisten bedaure, die besten und die schlimmsten
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