Oma klopft im Kreml an
andern sich häufenden Berichten gelegt wurde, die aus ganz Moskau kamen - von den Intourist-Hotels, den Flughäfen und Eisenbahnstationen, den Diplomatenwohnblocks, den Botschaften, den Dolmetschern - kurz von allen, die auch nur die entfernteste Möglichkeit einer Verbindung mit Miss Baker haben konnten.
Auf höchster Ebene wurden mehrere Konferenzen einberufen, jeder Bericht wurde genauestens studiert, Sicherheitsmaßnahmen wurden neu geprüft, die Lage wurde immer wieder diskutiert, und immer noch bot sich keine wahrscheinliche Lösung an.
«Aber sie muß doch irgendwo sein», insistierte der Parteisekretär bei der dritten Konferenz über das Verschwinden der Engländerin. «So einfach kann ein Ausländer in Moskau nicht verschwinden. Es muß etwas übersehen worden sein.»
«Wir haben hier einen Bericht des Genossen Boris Alexandrowitsch Rumjantsew, eines Intourist-Dolmetschers», sagte der Vorsitzende und nahm erneut, wenn auch mit leichten Ermüdungserscheinungen, das
einzige phantasievolle Dokument der Sammlung zur Hand.
«Er schreibt, daß am letzten Abend, den die Delegation der Antifaschistischen Friedensliga in Moskau verbrachte, vier Mitglieder, zu denen Miss Baker gehörte, drei Stunden vom Hotel Metropol abwesend waren. Er vermutet, daß sie irgendwo in Moskau Kontakte aufgenommen haben, die Miss Baker später weiter verfolgt hat. Wir haben eine chiffrierte Mitteilung, die bisher nicht entziffert werden konnte, und natürlich ist da noch das Taxi, in dem sie zu ihrem Bestimmungsort gefahren sein müssen.
Vielleicht wäre es nicht zu viel verlangt», fügte er mit schwerfälligem Sarkasmus hinzu, «das Innenministerium um die Überprüfung aller Taxifahrer zu bitten, die an dem Abend Fahrgäste vom Hotel Metropol befördert haben.»
Ein nervöser Oberst der Miliz sagte, sie hätten bereits am nächstlie-genden Taxistand Erkundigungen eingezogen, und wurde dahingehend beschieden, daß sie sich schon ein bißchen mehr Mühe geben müßten.
«Ich hatte bisher immer den Eindruck», sagte der Vorsitzende, «daß alle Ausländer in Moskau streng bewacht werden, aber hier, bei diesem einfachen Fall, begegnen wir einer so beispiellosen Inkompetenz und einem solchen Mangel an Wachsamkeit, daß ich daraus nur schließen kann, daß unser Sicherheitsdienst von Grund auf neu organisiert werden muß.»
Er sagte weiterhin, ihm sei völlig klar, daß die Beamten der Britischen Botschaft im Besitz aller Tatsachen dieses Falles seien. Sie wüßten natürlich nicht nur, wo Miss Baker sei, sondern auch, was sie dort tue.
«Überlegen Sie.doch, Genossen», sagte er und blickte streng auf die versammelten Minister, Parteifunktionäre und hohen Offiziere, die zu der Konferenz zusammengerufen worden waren. «Wir sind in der Sowjetunion von kapitalistischen Ländern umgeben. Wie würden sie Vorgehen, um einen imperialistischen Agenten bei uns einzuschleusen?
Sie würden den Agenten unter einem unverfänglichen Alibi ins Land bringen, und dann würde er oder sie verschwinden. Die Botschaft, die die gefälschten Papiere besorgt hat, würde dann leugnen, irgend etwas über den Aufenthaltsort des Agenten zu wissen. Sie würden, wie sie es jetzt tun, diese Behauptung sogar für die Presse freigeben, versuchen, uns den Schwarzen Peter zuzuschieben, und genauso unschuldig und mit der ihnen eigenen unverhohlenen Hinterhältigkeit darauf bestehen, daß wir für das Verschwinden dieser britischen Staatsangehörigen verantwortlich zu machen sind.»
«Aber es ist viel komplizierter, Genosse Vorsitzender», unterbrach der Parteisekretär, der ernsthaft einen Berg von Dokumenten durchgelesen hatte. «Ich sehe hier, daß diese Frau ursprünglich als Mitglied einer Delegation nach Moskau gekommen ist. Man mußte annehmen, sie sei eine Persönlichkeit, bedeutender noch als der Anführer der Delegation.
Sie hält Reden und beeinflußt in allen Dingen die Ansicht der Delegation. Plötzlich bleibt sie allein in Moskau zurück - was übrigens noch nicht befriedigend geklärt worden ist. Dann wieder gibt sie vor, Englischlehrerin zu sein. Und in diesem Antrag für ein Visum hier, den wir von London bekommen haben», und er fuchtelte mit einem Papier in der Luft herum, das alle andern übersehen hatten, «wird sogar behauptet, sie sei Künstlerin. In dem Antrag der Britischen Botschaft dagegen wird sie als gewöhnliche Touristin bezeichnet. Alles widersprüchlich.»
«Eben», sagte der Vorsitzende. «Die Britische Botschaft hat den
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