Oma klopft im Kreml an
...»
«Miss Baker.»
«Stimmt. Glauben Sie, daß diese Miss Baker Kommunistin ist?»
Diese Frage kam so unerwartet, daß Mr. Buckingham ganz konsterniert war. Er hatte bei der Zusammenstellung seines Materials an diesen Punkt überhaupt nicht gedacht - diese besondere Komplikation hatte er nie in Erwägung gezogen.
«Oh, ich glaube nicht, Sir. Zumindest läßt nichts darauf schließen. Mir ist natürlich klar, daß das den ganzen Fall - ehem - erheblich ändern würde. Andererseits - ja, ich möchte doch mit Bestimmtheit annehmen, daß sie’s nicht ist», stotterte Mr. Buckingham.
«Warum nicht?»
«Nun ja, ihr Neffe, Mr. Herbert Napier - ich habe Ihnen ja seinerzeit über das merkwürdige Gespräch mit ihm berichtet - hat mir zu verstehen gegeben, daß Miss Baker keinerlei Interesse an Politik hat, und ich habe meine Gründe zu glauben -»
«Aber Sie haben keinen wirklichen Beweis vom Gegenteil?» fragte Sir John mit der verwirrenden Direktheit des vielbeschäftigten Mannes, der sich unerbittlich an das Wesentliche hält.
«Nein. Das heißt, es ist kein Beweis, nur - ich würde überhaupt nicht auf den Gedanken kommen, daß Miss Baker sich für den Kommunismus interessiert. Es sieht ihr einfach nicht ähnlich.»
«Haben Sie sie denn kennengelernt?» fragte Sir John erstaunt.
«Nnnn-nein, nicht wirklich kennengelernt, aber ich habe das Gefühl, als ob ich sie kenne», sagte Mr. Buckingham lahm. «Außerdem beweist ja ihre Ansprache einiges, die sie beim Abschiedsessen der Antifaschistischen Friedensliga in Moskau gehalten hat. Da hat sie sich sehr kritisch gegen den Kommunismus geäußert.»
«Aber Sie haben doch eben gesagt, sie interessierte sich überhaupt nicht für Politik», erinnerte Sir John. «Und worum ging diese Ansprache, von der Sie da reden? Ich kann mich nicht erinnern, darüber in den Berichten gelesen zu haben.»
«Oh, das war kein - ehem - offizielles Dokument. Es war ein Artikel im Daily Guardian von dem Korrespondenten in Moskau. Es hieß, Miss Baker habe die Behandlung der Frauen in der Sowjetunion kritisiert und Vorschläge gemacht, wie man...»
«Mein lieber Miles», sagte Sir John und beugte sich mit gütiger Nachsicht über seinen Schreibtisch, «das Auswärtige Amt kann sich seine Meinung nicht aus Artikeln im Daily Guardian bilden. Ich schlage Ihnen vor, dieser Frage sofort nachzugehen. Gibt es von unserer Botschaft in Moskau keine vertraulichen Berichte über Miss Baker?»
«Soweit ich weiß, hat sich Miss Baker nie in der Botschaft sehen lassen.»
«Sehen Sie, das klingt schon glaubhafter. Die Kommunisten, die Moskau besuchen, lassen sich auch selten in der Botschaft sehen», stellte Sir John mit erbitternder Ruhe fest.
«Aber wenn sie eine Kommunistin ist, dann müssen die Sowjetbehörden doch wissen, wo sie ist und was sie dort macht. In diesem Prawda- Artikel aber behaupten sie, keine Ahnung zu haben, und bestehen darauf, daß sie eine britische Spionin ist», sagte Mr. Buckingham triumphierend, dem endlich sein Hauptbeweisstück einfiel, das nun unleugbar war.
Sir John ging mit einer beiläufigen Handbewegung darüber hinweg, streckte die Hand widerstrebend nach Mr. Buckinghams säuberlichem Aktenbündel aus und seufzte.
«Ich sehe schon, ich muß das selbst erledigen. Hätte nie gedacht, daß diese Oma wirklich bis Moskau gekommen ist.» Er machte keinen Versuch, die müde Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen. «Aber vielleicht sollte die Sache doch auf höherer Ebene behandelt werden.»
Mr. Buckingham nahm diesen Vorwurf gelassen hin.
«Im Grunde ist das genau meine Meinung. Es tut mir natürlich sehr leid, und ich weiß, wie wenig Zeit Sie haben, aber ich glaube wirklich, daß dieser Baker-Fall sich auszuweiten beginnt.»
Mr. Buckingham erhob sich erleichtert. Er wußte zwar, daß er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte, aber er war froh, daß er seinen eigenen Schreibtisch von den rapide wachsenden Akten des Baker-Falls befreit hatte. Sir John war jedoch nicht bereit, ihn zu entlassen.
«Dieser Neffe von Miss Baker, der damals hier war - haben Sie seine
Telefonnummer? Ich glaube, ich habe gerade noch Zeit, ihn anzurufen, bevor ich mich mit dem Staatssekretär treffe.»
Mr. Buckingham sah in seinem Notizbuch nach, las die Nummer vor und wartete darauf, daß er sich mit einem höflichen Nicken verabschieden konnte.
«Mr. Herbert Napier? Guten Morgen», schnurrte Sir John gewandt ins Telefon. «Ich störe hoffentlich nicht? Nein. Nein. Wir
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