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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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Hängematte. Er kritzelte einige Bemerkungen an den Rand, fügte an mehreren passenden Stellen das Adjektiv (demokratisch) ein, erschlug mit dem Manuskript ein paar hartnäckige Mücken und nickte ein.
    Als er aufwachte, hatte seine Frau den Samowar in den Garten gebracht, die Kinder waren vom Schwimmen zurückgekommen, und der Vorsitzende hatte das Gefühl, daß er genug von seinem Wochenende an dieses lästige Problem verschwendet hatte. Er steckte den Artikel wieder in seinen Umschlag, schrieb ein paar Zeilen an den Herausgeber der Prawda und vergaß Miss Baker für den Rest des Wochenendes.

11

    Während der Fall Baker in der Sowjetunion von Anfang an auf höchster Ebene verhandelt wurde, wurstelten auf der britischen Seite Mr. Buckingham im Außenministerium und der junge Vizekonsul in der Botschaft immer noch allein weiter.
    Erst als der Artikel in der Prawda erschien, kam beiden fast gleichzeitig der Gedanke, daß die politischen Hintergründe des Falls zu kompliziert geworden waren, um von so vergleichsweise kleinen Angestellten, wie sie es waren, bewältigt zu werden.
    Mr. Buckingham kam an diesem Tag eine gute halbe Stunde früher ins Büro, ließ sich die Akte Baker bringen, blätterte die inzwischen beträchtliche Dokumentensammlung durch und versuchte in nervöser Hast, alle Fakten in eine halbwegs logische Reihenfolge zu ordnen, um dann den Fall seinem Sektionschef, Sir John Plummer, zu übergeben. Er las noch einmal die letzten Telegramme aus Moskau durch, stellte fest, daß sie genauso unbestimmt waren wie seine Berichte, klemmte sich die Akte unter den Arm und machte sich zu Sir Johns Büro auf.
    «Guten Morgen, Miss Clarke», sagte er schüchtern. Sir Johns Sekretärin war eine dieser überlegenen, tüchtigen Beamtinnen, vor denen er wirklich Angst hatte. «Ist Sir John da? Ich meine, kann ich ihn vielleicht für ein paar Minuten sprechen?»
    «Nein», sagte Miss Clarke, während sie in beängstigender Geschwindigkeit eine Anzahl Bogen Schreib- und Kohlepapier ineinanderschob. «Er ist heute vormittag unabkömmlich. Im Augenblick sieht er gerade die Entwürfe für das Fischerei-Abkommen mit Lappland durch. In einer Viertelstunde hat er eine Besprechung mit dem Staatssekretär über territoriale Gewässeransprüche der Sowjetunion. Um elf trifft er sich mit dem Geschäftsträger der finnischen Botschaft wegen der Ausfuhrbeschränkungen von landwirtschaftlichen Maschinen; dann kommt das Wallingham-Komitee wegen der estnischen Reparationszahlungen und die ...»
    «Aber ich glaube, es ist dringend», sagte Mr. Buckingham beschwörend. «Ich muß Sir John heute wirklich irgendwann sprechen. Sagen Sie ihm, es sei wegen der Oma, der Oma, die nach Moskau wollte. Er kennt den Fall.»
    Miss Clarke hielt einen Augenblick inne, ehe sie das zusammengebündelte Papier in die Maschine spannte. Sie hob ihre sorgfältig gezupften Augenbrauen und sah Mr. Buckingham an, als ob er den Verstand verloren habe, einen Verstand, den sie ihm übrigens sowieso nie zugetraut hatte.
    «Im Moment gibt es in unserer Abteilung nichts Wichtigeres als das Fischerei-Abkommen mit Lappland», sagte sie jedoch würdevoll. «Sollte Sir John am Nachmittag eine Minute Zeit haben, werde ich ihm sagen,
    daß Sie ihn sprechen wollten.»
    Mr. Buckingham wollte sich gerade resigniert zurückziehen, als sich die Tür zum inneren Büro öffnete und Sir Johns sympathisches, immer besorgt blickendes Gesicht erschien.
    «Ah, Miles, ich meinte doch, Ihre Stimme zu hören», sagte er mit einem mechanischen Lächeln. «Ich wollte heute früh kurz mit Ihnen sprechen. Haben Sie Zeit? Dann kommen Sie doch ein paar Minuten herein. Sehr beunruhigender Artikel da in der Times, habe ihn heute morgen auf der Fahrt gelesen.»
    «Im Daily Guardian steht noch mehr», sagte Mr. Buckingham, als er, Miss Clarkes wütenden Blicken ausweichend, Sir John in dessen Zimmer folgte.
    «Und von der Botschaft habe ich heute morgen wieder ein Telegramm bekommen mit dem Text des Artikels in der Prawda», fügte er hinzu, sank in den Stuhl neben Sir Johns Schreibtisch und legte sein Aktenbündel vorsichtig auf die Lappland-Aktien, mit denen der Schreibtisch übersät war.
    «Lassen Sie mir’s für später hier», sagte Sir John. Er hatte genau zehn Minuten für dieses Problem Zeit und war entschlossen, nur über die wichtigsten Punkte zu sprechen. «Nun sagen Sie mir mal von Ihrem Standpunkt aus und nachdem Sie die Akte studiert haben, ist diese Oma... diese Dame

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