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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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kennen uns nicht. Mein Name ist Plummer. Ich bin bei der Abteilung Nord-Osten des Auswärtigen Amts, und mir kam gerade der Gedanke, daß Sie uns vielleicht in einer kleinen Angelegenheit helfen könnten -»
    Bei der Erwähnung des Auswärtigen Amts gab es eine Art Explosion am andern Ende der Leitung, und dann hörte man Mr. Napiers Stimme schrill und deutlich ins Telefon schreien.
    «Sie sind ein verdammter Idiotenhaufen. Ihnen in einer kleinen Angelegenheit helfen? Ich bezweifle, daß selbst der Himmel dazu imstande ist! Kein Wunder, daß Sie Indien losgeworden sind. Kein Wunder, daß Sie Zypern verloren haben. Kein Wunder, daß es überall Ärger gibt. Wenn ich mir überlege, wie falsch Sie sich in dieser einfachen Situation verhalten, kann ich nur mit Schaudern daran denken, was Sie wohl tun werden, wenn Sie mit wirklich ernsten internationalen Komplikationen fertig werden müssen.»
    Mr. Buckingham, der nur eine verzerrte, quietschende Version dieses Ausbruchs mitbekam, zuckte zusammen und bewegte sich langsam auf die Tür zu. Mr. Napiers Stimme ergoß sich in wütender Aufregung weiter ins Telefon. Sir John übertönte sie mit Gelassenheit.
    «Mr. Napier, wir rufen Sie nur an, um zu fragen, ob Sie irgendwelche Theorien über Miss Bakers Verschwinden haben.»
    «Natürlich nicht», schnauzte Napier. «Aber Sie können sich ja eine aus den Zeitungen aussuchen. Es wäre viel besser gewesen, wenn ich die ganze Angelegenheit gleich dem Daily Guardian übergeben hätte. Ich weiß wirklich nicht, wie der Steuerzahler Ihr inkompetentes Verhalten weiter dulden soll! Und ich kann Ihnen sagen, daß ich bereits einen Beschwerdebrief an meinen Abgeordneten geschrieben habe, der dem Außenminister im Parlament ein paar Fragen zu stellen haben wird, und...»
    Die einzige Methode, bei Mr. Napier in seinem augenblicklichen Zustand etwas zu erreichen, schien rücksichtslose Unterbrechung zu sein, und Sir John zögerte nicht, davon Gebrauch zu machen.
    «Es tut mir natürlich sehr leid, daß Sie dieser Meinung sind, Mr. Napier. Aber bevor Sie weiterschimpfen, sind Sie vielleicht so freundlich und sagen mir, ob Miss Baker jemals Mitglied der Partei war?»
    «Welcher Partei?» fragte Mr. Napier in ehrlicher Verwirrung.
    «Der Kommunistischen Partei.»
    «Kommunistischen? » Einen Augenblick herrschte verblüfftes Schweigen am andern Ende der Leitung, dann wurde das Gebrüll betäubend.
    Mr. Buckingham gelang es, die Tür zu erreichen, und im selben Augenblick kam der Staatssekretär, mit dem Sir John verabredet war, ungeduldig ins Zimmer gesegelt.
    «Ah, John.» Der Staatssekretär zögerte angesichts der lauten Geräusche im Telefon rücksichtsvoll und entschloß sich dann, sie zu ignorieren. «Ich sehe, Sie sind beschäftigt. Aber es ist schon halb zehn, bitte, machen Sie schnell, mein Lieber.»
    Mr. Napier fuhr fort, Beleidigungen ins Telefon zu schreien. Der Staatssekretär, der aus Sir Johns schmerzverzogenem Gesicht schloß, daß dieser vielleicht in einen Familienkrach verwickelt war, wurde unruhig, versuchte, mitfühlend auszusehen, blieb aber unerbittlich wartend an der Tür stehen.
    Sir John, für sein Talent als taktvoller Verhandlungspartner berühmt, versuchte, ab und zu ein Wort einzuflechten, nickte dem Staatssekretär entschuldigend zu, griff verzweifelt nach der Baker-Akte und blickte wild suchend im Zimmer umher, um Mr. Buckingham den Hörer zu übergeben. Aber Mr. Buckingham hatte sich eiligst entfernt und beglückwünschte sich, als er sicher in seinem kleinen Zimmer angelangt war, daß er diesen lästigen Baker-Fall auf so elegante Weise losgeworden war.

    Ähnliches machte der junge Vizekonsul in der Botschaft in Moskau durch. Niemand hätte den Botschafter, Sir Reginald Morton, als eine ausgeglichene Persönlichkeit bezeichnet. Selbst bei günstigsten Voraussetzungen war er im Umgang äußerst schwierig. Er war aufbrausend, kurz angebunden und hatte stets eine vorgefaßte Meinung. An diesem Montag war er gerade von einer Konferenz in England zurückgekehrt und hatte Leberschmerzen.
    Als er in sein Arbeitszimmer stampfte, war er bereit, jeden anzufahren, der ihn während des Lesens der angesammelten Post zu stören wagte. Außerdem war ihm gerade eingefallen, daß er vor seiner Abreise von Moskau in einem Anfall von freundlicher Stimmung seiner Sekretärin Urlaub gegeben hatte. Es war wirklich alles zu ärgerlich.
    Sein Hund Toby, steif von Rheumatismus, watschelte hinter ihm her ins Zimmer. Toby war ein

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