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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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es antwortete nur das monotone Läuten am andern Ende der Leitung.
    «Ich fürchte, sie ist doch weggegangen», sagte Jackie schließlich. «Wir müssen hinfahren.» 3
    Sie nahmen einen der Botschaftswagen und waren zwanzig Minuten später in der leeren, friedlich vom Nachmittagssonnenschein durchfluteten Wohnung.
    «Ihre Sachen sind noch alle da», rief Jackie, die sofort ins Schlafzimmer gerannt war. «Ich bleibe hier und warte, bis sie zurückkommt. Fahren Sie mit dem Wagen zum Metropol und versuchen Sie, sie dort abzufangen.» Í
    Ihre Stimme hatte wieder den vertrauten Befehlston. Humphrey ärgerte sich darüber, obgleich er zugeben mußte, daß ihr Vorschlag sicher der vernünftigste war.
    «Gut. Wenn ich sie finde, bringe ich sie her», sagte er in der Hoffnung, Miss Baker ohne fremde Hilfe zu finden, und sei es auch nur, um seine Unabhängigkeit von Jackie zu beweisen. «Aber was passiert, wenn ich sie nicht finde? »
    Diese Frage bereute er sofort. Sie gab Jackie Gelegenheit, das Kommando wieder an sich zu reißen, was sie auch prompt tat.
    «Bleiben Sie eine Weile da und warten Sie, und dann kommen Sie hierher zurück, falls sie inzwischen hier aufgetaucht ist. Aber jetzt - i
    bitte, beeilen Sie sich.»
    Sie schob ihn fast aus der Tür, und Humphrey, der sich völlig Herr der Situation fühlte, entschloß sich, auf weitere Diskussionen zu verzichten. Erst im Auto auf dem Weg zum Metropol fiel ihm ein, daß er vergessen hatte, Jackie nach ihrer Telefonnummer zu fragen. Da es in Moskau kein Telefonbuch gab, hatte er keinerlei Möglichkeit, sich mit ihr in Verbindung zu setzen, ohne seinen Posten in der Hotelhalle zu verlassen.
    Die ganze Situation erwies sich als ziemlich schwierig. Er traute sich nicht, direkte Erkundigungen einzuziehen, um kein Mißtrauen zu wecken. Das Hotel wimmelte von Journalisten, die Humphrey alle kannten und ihn nach dem neuesten Stand der Dinge fragten. Von Miss Baker jedoch war weit und breit nichts zu sehen.
    Humphrey versuchte vorsichtig Erkundigungen einzuziehen, erwähnte beiläufig, daß er einen Freund aus London erwarte und ob sich wohl an diesem Tag irgendwelche Ausländer ins Register eingetragen hätten. Aber die junge Verwaltungsassistentin, die er erwischt hatte, war nur für Theaterkarten zuständig und versuchte ihn lediglich für eine Operettenvorstellung im Freilufttheater zu interessieren.
    Humphrey resignierte und zog sich mit einer Zeitung in eine strategisch günstige Position hinter ein paar Kübel mit riesigen Blattpflanzen zurück.
    Dort entdeckte ihn nach einer Stunde Stewart Ferguson, der plötzlich hinter einem vertrockneten Gummibaum auftauchte.
    «Warten Sie auf jemand?»
    «Nein», sagte Humphrey. Er ließ seine Zeitung sinken und versuchte, gelangweilt auszusehen. «Ich schlage nur die Zeit bis zum Abendessen tot.»
    «Dann kommen Sie doch mit. Ich will gerade zum Hauptpostamt, einen Artikel wegschicken. Wenn wir zurückkommen, können wir in meinem Zimmer was trinken.»
    «Ich bin schon den ganzen Tag rumgelaufen», wandte Humphrey ein. Und fügte, wie er hoffte beiläufig, hinzu: «Was steht denn in Ihrem Artikel? Was Interessantes?»
    «Nichts über Miss Baker. Leider nicht», grinste Stewart. «Hier geht’s um hundertjährige Armenier. Aber ich habe die Hoffnung mit meiner alten Dame noch nicht aufgegeben. Im Gegenteil, mir ist eine neue Informationsquelle eingefallen. Wie ich gehört habe, ist seit heute meine Freundin von der Botschaft wieder zurück - die Botschaftssekretärin.»
    «Ich glaube, ich habe sie heute nachmittag kennengelernt», sagte Humphrey mit leicht belegter Stimme. «Eine Miss Marsh? Ist sie Ihre Freundin?»
    «Nun ja, wir gehen manchmal zusammen aus», sagte Stewart und fügte mit gewinnender Offenheit hinzu: «Wie die meisten andern Junggesellen hier in Moskau. Aber es ist sehr nützlich, wenn man sich mit der
    Botschaftssekretärin gut stellt.»
    «Ja? Gibt sie Ihnen Informationen?» Humphrey hatte das unangenehme Gefühl, sich wie ein Doppelagent zu benehmen, aber Stewarts Antwort war beruhigend.
    «Sie ist verschlossen wie eine Auster, wenn es um Wichtiges geht, aber sie sorgt wenigstens dafür, daß ich alle regulären Informationen bekomme. Nein, bei der Baker-Affäre denke ich an etwas ganz anderes. Jackie war die ganze Zeit weg, und ich konnte sie deshalb nicht erreichen. Aber in ihrer Wohnung habe ich Miss Baker zum erstenmal gesehen. Das mag natürlich völlig belanglos sein. Es war eben eine von diesen Moskauer

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