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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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sich Wolfram, Silke und ihre sechsköpfige Kinderschar geheftet. Rüdiger schlürfte geräuschvoll sein Wasser, ich trank gesitteter. Und sehr, sehr langsam. Irgendwann war die Flasche aber doch leer, und ich wusste immer noch nicht, wie ich aus der Nummer wieder rauskommen sollte. Hatte mich selten in einer so kniffligen Lage befunden.
    »Das ist doch der Hund von Irene Wedekind«, kam mir Silke zu Hilfe. »Eine sehr feine Dame. Sie hat heute bei uns eingekauft.«
    »Ja«, sagte ich und rülpste. Zu viel Sprudel. »Sie ist Gast bei uns auf dem Hof. Hat für eine Woche ein Zimmer gemietet. Und sie wird von allen Mutti genannt, so wie Anke früher, weißt du noch, Silke? Weil sie sich immer um alle gekümmert hat.«
    Keiner glaubte mir auch nur ein Wort, das konnte ich in den Gesichtern lesen. Hinter den Stirnen ratterten die Rädchen, hier und da wurde eifrig geflüstert.
    »Das ist ja wieder mal ein toller Skandal auf dem Lüttjenshof!«
    »Wo auch sonst! Deibel ok! Was da immer los ist.«
    »Sodom und Gomorrha!«
    »Ist die Nele etwa gar nicht Heidis Kind? Die war ja schon immer anders.«
    »Und sie sieht auch überhaupt nicht aus wie eine echte Lüttjens. Mehr wie ’ne Zigeunerin.«
    Das hörte ich zum zweiten Mal innerhalb einer Woche. So langsam machte ich mir Sorgen um meine Wirkung auf die Leute.
    »Dann ist der Olaf ja fremdgegangen!«
    »Ja, ja, du weißt ja, die stillen Wasser. Der war mir schon immer suspekt.«
    »Mich hat er auch manchmal schräg angeguckt. Ich weiß noch, damals auf dem Schützenfest, da wollte er …«
    »Man gut, dass die nicht meine Schwiegertochter geworden ist.« Das war Karls Mutter. Die hatte ich noch gar nicht bemerkt. Aber da stand sie und schaute mich an wie ein Wesen von einem anderen Stern.
    Gleichfalls, dachte ich böse.
    »Hast Glück gehabt, Petra.«
    »Kommst du mit zum Kaffee? Darüber müssen wir reden!«
    »Ja, ich rufe nur eben noch Michaela und Rebecca an. Die sollen das auch hören!«
    Ich saß derweil da wie ein Häufchen Elend und hoffte auf ein Wunder. Es trat ein.
    Silke machte ein paar Schritte auf mich zu, Wolfram folgte ihr. Die Kinder bauten sich neben ihnen auf. Wie ein Schutzschild.
    Ach ja, die alte Clique hielt zusammen. In guten wie in schlechten Zeiten. Und die neue Generation erhielt eine Gratisstunde in echter Freundschaft. Wir waren jetzt die drei Musketiere gegen den Rest der Welt. Samt Knappen. Einer für alle, alle für einen.
    »Mich habt ihr damals Mücke genannt«, sagte Silke. »Weißt du noch, Nele?«
    »Und mich Bolle«, ergänzte Wolfram.
    Mein Lächeln geriet schief, war aber voller Dankbarkeit. Silke grinste zurück. »Erinnert ihr euch daran, wie Wolfram damals die zwei Flaschen Jägermeister aus dem Lager seines Vaters geklaut hat?«
    »Geliehen, nur geliehen.«
    »War lecker«, murmelte ich.
    »Ja, und dann hat Karl dir am Baggersee einen Heiratsantrag gemacht. Das war ja so romantisch.«
    »Das hat mich auf eine wunderbare Idee gebracht«, sagte Wolfram und warf Silke einen tiefen liebevollen Blick zu.
    Wow! So viele Jahre Ehe, so viele Kinder, und immer noch Liebe. Ich war ein bisschen neidisch. Die Menge fing an, sich zu zerstreuen.
    Pastor Gräve warf mir einen gütigen Blick zu. Komm zu mir, wenn du dein Herz erleichtern willst, sollte der heißen. Hm, war auch eine Option. Musste ich ihm dann verraten, dass er um ein Haar die leere Urne von Opa Hermann beerdigt hätte?
    Doch keine gute Idee.
    Jetzt waren nur die Kinder und die alten Männer übrig. Die Hausfrauen versammelten sich gerade um einen Kaffeetisch.
    Rüdiger schloss sabbernd neue Freundschaften, lautes Juchzen und Kreischen erfüllte den Dorfplatz.
    Endlich zogen auch die Männer ab. Wolfram und Silke setzten sich zu mir.
    »Geschafft«, sagten sie wie aus einem Mund.
    »Danke!«
    »Ehrensache.« Silke klopfte mir auf den Rücken. »Können wir sonst noch was für dich tun?«
    Ich stellte fest, dass sie keine neugierigen Fragen stellte.
    »Danke!«, sagte ich wieder. »Aber wir müssen jetzt nach Hause.«
    »Na, dann.« Wolfram erhob sich ein wenig mühsam. Seit jener legendären Nacht im Baggersee hatte er gute dreißig Kilo zugelegt. »Wir sollten das mal wieder machen. Du weißt schon, grillen und so.«
    »Unbedingt.«
    »Aber für dich nur Tofu-Würstchen«, warf Silke ein. »Du musst an dein Cholesterin denken.«
    Wolfram seufzte und fügte noch hinzu: »Kannst ja deinen neuen Freund mitbringen, Nele. Den kennen wir noch gar nicht richtig.«
    Statt einer Antwort

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