Oma packt aus
hellblaue Kleckse, die wahrscheinlich etwas mit abstrakter Kunst zu tun haben sollten. Alles wurde gekrönt von überdimensionalen Prilblumen und Peace-Zeichen. Kurz, das Gefährt sah aus, als wäre es in der großen Hippie-Zeit auf sämtlichen Demos zwischen Hamburg und San Francisco mitgefahren und mindestens schon einmal in Indien gewesen.
Damit konnten wir unmöglich nach Italien fahren. Ausgeschlossen! Was sollte meine neue Familie von uns denken? Vor dem Haus liefen die Lüttjens’ zusammen, Irene und Rüdiger gesellten sich zu ihnen. Fünf Minuten später war ich auch unten.
Jan lud mit großer Geste zur Besichtigung ein. »Immer hereinspaziert«, rief er. »Drinnen ist der Bus echt bequem. Und er fährt eins a! Hat bloß schlappe zweihunderttausend runter.«
Ich sag’s ja: San Francisco, Indien. Vermutlich mehr als einmal.
Papa schüttelte ungläubig den Kopf, Mama grinste hocherfreut, Marie sah unsicher von einem zum anderen, und Irene kämpfte mit einem Lachanfall. Rüdiger ging zur Vorderfront und hob das Bein fast in Höhe der Windschutzscheibe.
»Guter Hund«, sagte Grete zur Überraschung aller. Er nutzte die Gunst der Stunde, kam zu ihr und schlabberte sie voll.
Angewidert stieß sie ihn weg. Dann stemmte sie die Fäuste in die Hüften. »Nur damit ihr es wisst! Ich steige in kein Prilreklamefahrzeug!«
»Sei nicht so etepetete«, sagte Marie: »Hauptsache, wir passen alle rein und können Nele begleiten.«
Sie ging mit gutem Beispiel voran und setzte sich probehalber auf eine der hinteren Bänke. »Es ist wirklich sehr gemütlich«, verkündete sie beinahe fröhlich. »Und es duftet so schön.«
Ich steckte die Nase hinein. Oh ja, hier drinnen war zweifellos im Laufe der letzten vier Jahrzehnte mehr als ein Haschpfeifchen geraucht worden. So was setzte sich fest.
»Pfft«, machte Grete, nachdem sie sich überwunden hatte, wenigstens auch einmal Probe zu sitzen. »Ich find’s zu eng.«
Dabei nahm sie Marie den halben Platz weg.
Papa griff ein und erklärte: »Wir haben nun einmal diesen Wagen und werden auch damit reisen. Jan und ich sitzen vorn und wechseln uns beim Fahren ab. Auf der ersten Bank sitzen Marie, Nele und Heidi. Nach hinten gehen Irene, Grete und Rüdiger.«
Kluger Papa. Er trennte Grete von Marie und Mama von Irene.
»Rüdiger?«, fragte Grete zurück. »Der nimmt aber die gesamte Bank ein.«
»Unsinn«, gab Irene zurück. »Der setzt sich ganz gesittet hin. Er muss eben den Kopf einziehen.«
Wir versammelten uns in der Küche zum Frühstück. Niemand war sonderlich gesprächig. Jeder dachte an das bevorstehende Abenteuer. Mama und Papa linsten immer wieder zu Irene hinüber, als ob sie sagen wollten: Was hast du uns nur eingebrockt! Hättest du nicht in Hamburg bleiben können, wo du hingehörst? Mit deinen Hotels und deinem Hund? In ihren Gesichtern stand Unsicherheit. Würden sie noch eine Tochter haben, wenn wir wieder heimkamen?
Obwohl ich ihnen versichert hatte, sie blieben immer meine Eltern, konnten sie ihre Zweifel nicht abschütteln. Niemand durfte ihnen ihr Kind nehmen. Hier ging es um ihren Sonnenschein, ihr Geschenk Gottes – oder das der Störche, wenn man Opa Hermann glauben wollte. Die Tatsache, dass ich nach dreizehneinhalb Jahren Abwesenheit gerade erst nicht ganz freiwillig in den Schoß der Familie zurückgekehrt war, ließen sie großzügig außen vor.
Grete und Marie wirkten in sich gekehrt, und Irene kämpfte offensichtlich mit den Geistern der Vergangenheit. Mal huschte ein Lächeln über ihre Mundwinkel, mal stand Angst in ihren Augen.
Ich selbst gab mir alle Mühe, mich auf die Reise zu freuen. Klappte bloß nicht.
Nach dem Frühstück gingen wir alle in unsere Zimmer, um zu packen. Jedes Mal, wenn ich im Laufe des Tages aus dem Fenster schaute, sah ich, wie entweder Grete oder Marie kleinere und größere Päckchen und Tüten im Kleinbus verstauten. Im Kofferraum, unter Sitzen, überall, wo sie ein freies Eckchen fanden.
Unglaublich, dachte ich, was zwei alte Damen so alles auf einer Reise brauchen.
Jan kam am Nachmittag zu mir.
»Hallo, Kröte. Alles fertig?«
»Hm.«
»Und wie fühlst du dich so als frischgebackene Halbitalienerin?«
»Keine Ahnung.«
»Du warst auch schon mal gesprächiger. Was ist denn los mit dir?«
»Entschuldige«, sagte ich schnell und erklärte ihm dann, wie schwierig es für mich sei, mit all dem Neuen fertig zu werden, ohne mit Paul darüber reden zu können.
»Ja«, sagte er. »Das ist hart. Ich
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