Oma packt aus
»Das ist nichts für unsere Nele. Die lässt da beim nächsten Mal ihren Kopf liegen.«
»Und wer weiß, ob die da unten überhaupt einen Bahnhof haben«, murmelte ich.
»Bleibt das Auto«, stellte Irene fest.
Papa kratzte sich am Haaransatz. »Und wie sollen wir da alle reinpassen?«
»Ich wüsste eine Lösung«, sagte Mama. »Mein guter Freund Ashoka besitzt einen Kleinbus, den leiht er uns bestimmt.«
Irene hob die Augenbrauen. »Ashoka?«
Ganz klar, dieser Name weckte bei ihr kein Vertrauen.
»Das ist einer dieser esoterischen Spinner, mit dem sich meine Frau seit einiger Zeit umgibt«, erklärte Papa.
Mama seufzte. »Er ist kein Spinner, sondern ein ganz feiner Mensch. Und Ashoka ist nur sein buddhistischer Name. Er bedeutet ›Ohne Traurigkeit‹. Getauft wurde er auf den Namen Carlo.«
»Nun gut.« Irene schaute mich fragend an.
»Die Küppers von nebenan haben auch einen Kleintransporter. Da können zusätzliche Sitzbänke eingebaut werden. Ich glaube, es passen sieben oder acht Leute rein.«
»Mit der Kiste transportieren sie aber auch die Kälber zum Schlachthof«, gab Papa zu bedenken. »Da drinnen stinkt es.«
»Wir können uns den Wagen ja morgen früh mal anschauen«, schlug ich vor. Bei mir dachte ich, dass Carlo-Ashokas Kleinbus eventuell auch eine eigene Duftnote besaß. Nach Pot zum Beispiel.
»Ich könnte auch etwas organisieren«, bot Irene an. »Unsere beiden Hotels verfügen über zwei Großraumwagen für Gäste, die in Gruppen anreisen.«
Alle anderen außer mir schüttelten den Kopf. Von dieser Frau wollten sie keine Gefälligkeit annehmen. Es reichte ja wohl, dass sie unsere Familie auf den Kopf stellte.
Gut möglich, dass diese Reise kein reines Vergnügen werden würde.
»Es gibt noch ein Problem«, gab Papa zu bedenken. Wir schauten ihn überrascht an.
15. Auf nach Bella Italia
Papa wies zum Fenster. Hinter den Scheiben zeichnete sich ein Kalbskopf ab. »Was sollen wir mit Rüdiger machen?«
»Der kommt mit«, sagte Irene schnell. »Er war noch nie für längere Zeit von mir getrennt.«
»Na und?«, fragte Grete. »Kriegt er etwa Depressionen, wenn er sein Frauchen mal für eine Woche nicht sieht? Heult er dann den Mond an oder was?«
Irene sparte sich die Antwort.
Papa traf die Entscheidung. »Wir werden ihn mitnehmen müssen.«
Niemand protestierte. Nur Gretes Miene verfinsterte sich, soweit das überhaupt möglich war.
»Und wann fahren wir?«, erkundigte sich Mama.
»Übermorgen«, gab Papa zurück. »Morgen kommt Jan und kann gleich den Kleinbus von diesem Carlo mitbringen. Dann bereiten wir alles vor, schließen den Ferienhof und starten am Montag in aller Frühe. Wir werden bestimmt zwei oder drei Tage für die Fahrt brauchen. Apulien liegt ja doch sehr weit im Süden.«
»Praktisch in Afrika«, warf Grete ein.
Papa überhörte sie. »Irgendwo in Bayern werden wir übernachten, sonst wird es zu anstrengend.«
Ich schaute Marie an. Mit Bayern verbanden sie traurige Erinnerungen. Dort hatte sie ihr Kind geboren, das sie dann an Grete abtreten musste. Sie wirkte in sich gekehrt. Dann dachte ich an Paul, der sich im Augenblick auf geheimnisvoller Mission in München befand. Ob ich ihn irgendwie ausfindig machen konnte?
»Ich habe noch etwas zu erledigen«, erklärte ich und stand auf. Ein bisschen wackelig. Wie viele Köms hatte ich schon wieder getrunken? Ich bekam sie nicht mehr zusammen.
In der Diele linste ich vorsichtig in Richtung Garderobenständer. Kein Opa. Gott sei Dank. Den hätte ich jetzt nicht ertragen.
Mein Blackberry lag in meinem Zimmer auf dem Nachttisch. Ich checkte die Nachrichten. Kein Lebenszeichen von Paul. Nur Jan schrieb, ich solle die Ohren steifhalten. Mein Kopf befahl mir, gar nichts zu tun, mein Herz hatte bereits meine Finger angewiesen, die Kurzwahltaste zu drücken. Wieder einmal antwortete mir nur Pauls Mailbox und bat um Nachricht. Ich sagte nichts und unterbrach die Verbindung. Traurig legte ich mich aufs Bett. Da passierte so viel in meinem Leben, und ich konnte darüber nicht mit dem Mann reden, den ich über alles liebte. Mein Herz galoppierte nicht. Es schlug langsam. Darüber schlief ich ein.
Lautes Hupen weckte mich am nächsten Morgen. Ich ging zum Fenster und starrte auf ein quietschbuntes Vehikel, aus dem gerade mein Bruder stieg.
Oh Gott! Ashokas Kleinbus!
Von seiner farbenfrohen Bemalung hatte Mama nichts gesagt. Als Grundton machte ich ein sattes Orangerot aus, darüber tummelten sich gelbe, grüne und
Weitere Kostenlose Bücher