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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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schaute ins Feuer.
    Er hörte gar nicht mehr auf mit dem Schweigen und Schauen.
    Ich überlegte, wie ich ihn vorsichtig auf das Thema ansprechen konnte, das mich am meisten beschäftigte.
    »Bist du ein Gangster?«
    Na ja, Diplomatie war noch nie meine Stärke.
    Seine Schultern zuckten, und ich fürchtete mich schon vor einem Wutausbruch. Stattdessen folgte ein Lachanfall.
    »So etwas hat mich Irene gestern Abend auch gefragt«, sagte er stockend zwischen zwei Lachern. »Sie wollte wissen, ob ich zur Mafia gehöre.«
    Ja, und?
    Er kicherte noch eine Weile vor sich hin, bevor er mich aufklärte. »Die Mafia gibt es hauptsächlich in Sizilien. Hier in Apulien ist die Sacra Corona Unita beheimatet. Die heilige geeinigte Krone. Klingt edel, ist aber auch nur eine Bande von Verbrechern, die mit Erpressung, Raub und Drogenhandel ihr Geld verdient.«
    Okay, das hatte ich jetzt verstanden, aber meine Frage war damit nicht beantwortet.
    Marcello zwang sich, ernst zu werden. »Nein, Nele, ich bin kein Gangster.«
    »Aber als du so plötzlich zurück nach Italien gefahren bist, hast du Irene gesagt, es sei eine Frage der Ehre.«
    »Ja, und sie hat die falschen Schlüsse daraus gezogen. Wir sind Tomatenbauern, Nele, schon seit vielen Generationen. Und damals wollte eine internationale Firma den größten Teil unserer Ländereien aufkaufen. Es war eine schwere Krise, und wir haben sie nur überwunden, indem wir alle zusammengehalten haben. Das war für uns eine Frage der Ehre.«
    Okay, konnte ja keiner wissen. Nun war es an mir, eine Weile schweigend ins Feuer zu schauen. Ich spürte Marcellos Blick auf mir und wand mich innerlich. Kritische Musterungen konnte ich noch nie gut ab.
    »Es ist eine Schande«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Hätte Irene mir damals die Wahrheit gesagt, wäre alles anders gekommen.«
    »Du wusstest also nichts von mir?«
    Er schüttelte den Kopf. »Anfangs nicht. Erst einige Jahre später hab ich von meinen Verwandten in Lüneburg erfahren, dass es da ein Mädchen gibt, das aussieht wie eine waschechte Occhipinti.«
    Ich erinnerte mich an den einen oder anderen Besuch in einer Pizzeria mit Mama und Jan. Ja, tatsächlich. Die Leute dort hatten mich ziemlich auffällig angestarrt. Das war auch Mama aufgefallen, und nach dem zweiten Mal hatten wir das Lokal gewechselt.
    »Da habe ich zwei und zwei zusammengezählt.«
    »Und weiter?«
    Marcello zeigte mir seine Hände mit den Handflächen nach oben, wohl, um seine Hilflosigkeit zu unterstreichen. »Damals war ich bereits mit Anna verlobt. Sie war die richtige Frau für mich, auch wenn sie mich oft zur Weißglut trieb. Aber sie stammte aus dieser Gegend und passte gut in unsere Familie. Der Padrone hatte uns bereits seinen Segen gegeben. Ich glaube, sie hätte mich umgebracht, wäre ich plötzlich mit einer deutschen Freundin und einer unehelichen Tochter angekommen.«
    So wie ich seine Anna einschätzte, glaubte ich ihm aufs Wort.
    »Trotzdem habe ich versucht, Kontakt mit Irene aufzunehmen. Aber ich konnte sie nicht ausfindig machen.«
    Klar, damals lebte sie längst in Hamburg, und später nahm sie den Namen ihres Mannes Kurt an.
    »Außerdem erzählte mir mein Cousin in Lüneburg, du wärst mit einer anderen Mutter dort gewesen. Ich war ziemlich ratlos. Am Ende habe ich gar nichts mehr getan. Anna und ich haben geheiratet, und bald kamen die Kinder. Mir gefiel mein Leben so, wie es war. Ich dachte nicht mehr an Irene und auch nicht an das Mädchen, das mir so ähnlich sein sollte. Ich habe deine Existenz verdrängt. Das war unverzeihlich. Ich war ein Feigling.«
    Ein dicker Kloß saß plötzlich in meinem Hals. Da hatte mein leiblicher Vater von mir gewusst und sich einfach nicht weiter um mich gekümmert.
    Vigliacco hatte Anna ihn genannt. Feigling. Recht hatte sie.
    Von einem ermordeten leiblichen Vater hätte ich allerdings auch nichts gehabt. Nicht einmal die Chance, ihn nach so vielen Jahren zu treffen.
    Also – Schwamm drüber.
    »Ist schon okay«, murmelte ich großzügig.
    Marcello vergrub sein Gesicht in den Händen. »Nein«, erwiderte er mit plötzlicher Bitterkeit in der Stimme. »Das ist es nicht. Ganz und gar nicht.«
    Hä?
    »Wieso denn?«
    »Aber wie hätte ich ahnen sollen, was dir passieren würde?«
    Wovon zum Teufel redete er?
    »Ich habe Irene damals für ein sehr vernünftiges deutsches Mädchen gehalten.«
    »Ja, und?«
    »Perdonami.«
    Uff! Mir wurde das jetzt ein bisschen zu viel Dramatik. Nächster Akt, bitte. Rausgehen,

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