Oma packt aus
Bremse.
»Geht doch«, sagte Gianpaolo grinsend.
Na ja.
So schwer war Mofafahren tatsächlich nicht, stellte ich dann fest, und die Katzen waren in Alberobello bestimmt eine Plage, oder?
Gianpaolo blieb an meiner Seite, während Gianpietro mit Margherita fuhr. Wir kurvten durch enge Gassen, vorbei an unzähligen Trulli und durch moderne breite Straßen mit hübschen Villen und Mehrfamilienhäusern. Alle hundert oder zweihundert Meter hielten wir an, um Passanten nach einem dunkelhaarigen Mädchen zu fragen. Anhand der zurückgelassenen Klamotten hatte Paul erklärt, Klara trage vermutlich Jeans, eine bestickte Jeansjacke, ein blau-weiß gestreiftes T-Shirt und schwarze Chucks. Da auch in Italien jeder zweite Teenager ähnlich gekleidet rumlief, war das jedoch keine große Hilfe. So ernteten wir nur bedauerndes Kopfschütteln.
Nach zwei Stunden legten wir in einer Espressobar eine Pause ein und sprachen uns mit Margherita und Gianpietro per Handy ab. Die hatten auch keine Neuigkeiten.
»Der Padrone koordiniert die Suche, und bisher gibt es keine Spur von Klara«, fügte sie hinzu.
Mir sank der Mut.
Ich war mir so hundertprozentig sicher gewesen, Klara würde sich nichts antun.
»Warum eigentlich?«, fragte Gianpaolo, als ich meinen Gedanken laut ausgesprochen hatte.
Ich erklärte es ihm.
Sein Gesicht hellte sich auf. »Da könnte was dran sein.«
Aber bevor er noch einmal Margheritas Nummer wählen konnte, um ihr meine Überlegungen mitzuteilen, klingelte mein Blackberry.
»Wir sollen sofort zurückkommen!«, rief Margherita. »Deine Oma hat eine Spur!«
Meine Oma?
Grete? Die saß doch zusammen mit der älteren Generation brav im Hof und tat gar nichts.
Verkehrte Welt!
Unser Suchtrupp erreichte als Erster das Anwesen der Occhipintis. Auf der Straße verbreiteten noch immer zwei Einsatzfahrzeuge der Carabinieri ihr blaues Blinklicht. Im Hof trafen wir auf den Padrone und Grete. Die schöne Elena hielt sich im Hintergrund, und auch Marie und die stumme Graziella saßen ein Stück entfernt, behielten jedoch die Szene, die sich vor ihnen abspielte, genau im Auge.
Vor Grete und dem Padrone stand ein etwa sechzigjähriger Mann in kariertem Hemd, Shorts, weißen Socken und Sandalen. Kurz: eine Beleidigung für jeden eleganten Italiener. Zudem hatte sich der Mann in der Jahreszeit vertan. Er schien jedenfalls zu frieren. Aber vielleicht zitterte er auch aus anderen Gründen.
Als wir näher kamen, stierte Grete dem Mann in die Augen und wies auf Rüdiger, der sich alle Mühe gab, bedrohlich auszusehen.
»Sag Hallo zu meinem kleinen Freund.«
Oha!
Der Tourist wirkte tatsächlich eingeschüchtert, aber wohl eher von Grete. Rüdiger versaute seinen Auftritt mit ein paar Pupsern und lautem Magenknurren.
Der Padrone rang um Fassung. Jemand wie meine Oma war ihm im Leben noch nicht untergekommen.
»Ich bin Grete Lüttjens.« Sie sprach mit tödlicher Stimme und hatte dem nichts hinzuzufügen.
Der Tourist, der offensichtlich nicht so viele Mafiafilme gesehen hatte, streckte die Hand aus. »Angenehm. Hans-Heinrich Krochmann aus Duisburg.«
Grete ignorierte die Hand, die ein Weilchen hilflos in der Luft hing, bevor Herr Krochmann verwirrt den Arm sinken ließ.
»Wiederholen Sie, was Sie eben gesagt haben!«
Ich hätte jetzt ein »Sing, Vögelchen!« erwartet.
Herr Krochmann entdeckte Margherita, die Zwillinge und mich und wandte sich von der komischen alten Frau ab.
Bei meinem Anblick zuckte er zurück, aber vor Grete hatte er mehr Angst. Ich fasste das mal als Kompliment auf.
»Sprechen Sie auch deutsch?«, fragte er mit einem Flehen in den Augen.
Wir nickten.
»Wie erfreulich. Nun, ich habe das große Polizeiaufgebot hier bemerkt, und da ist mir wieder eingefallen, was ich heute Vormittag beobachtet habe, unten, an der Straßenkreuzung.«
»Ja?«, fragte ich.
Aber er kam nicht gleich zur Sache. »Allerdings habe ich lange gezögert, mich vorzuwagen. Ich dachte mir, vielleicht wird hier gerade ein Mafianest ausgehoben. Man sieht ja so viele von diesen Sachen im Fernsehen. Schließlich aber habe ich Mut gefasst.«
Er sah aus, als hätte er seinen Entschluss längst bedauert.
»Bitte sprechen Sie«, sagte ich so geduldig, wie es mir gerade noch möglich war.
Herr Krochmann holte tief Luft. »Ich habe gesehen, wie ein junges Mädchen in einen Reisebus gestiegen ist. Es sah genauso aus, wie es mir von der Dame hier eben beschrieben wurde.«
Bei dem Wort Dame schnaubte Grete durch die Nase, aber ich
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