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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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dass alles in Ordnung war. Vielleicht schlief sie ja. Teenager haben bekanntlich ein gesteigertes Ruhebedürfnis. Im Schlaf würde sie niedlich aussehen, ich würde ihr sacht übers Haar fahren und plötzlich Mutterinstinkte entwickeln. Dann durfte Klara die Augen aufschlagen und sich schluchzend in meine Arme werfen. Paul konnte an diesem Punkt hinzukommen, uns beide an sich drücken und sagen: »Ich danke dir, Nele. Du bist die Liebe meines Lebens.«
    Okay, so weit die Theorie.
    In der Praxis war Klaras Bett leer, und auf dem Kopfkissen lag ein Zettel.
    »Sucht nicht nach mir! Ihr werdet mich nicht finden. Sagt Sam und Polly, dass ich sie liebe. Wir werden uns in einer besseren Welt wiedersehen. Klara. PS : Sagt Rüdiger, er soll nicht traurig sein.«
    Mannomann!
    Ganz schön dramatisch drauf, die Deern. Das war jetzt nicht ernst zu nehmen, oder?
    Und Rüdiger hatte schon wieder ein Herz erobert. Wie der das wohl machte? Vielleicht konnte ich von ihm noch was lernen.
    Ratlos ließ ich mich mit dem Zettel in der Hand auf Klaras Bett sinken. Nach einer Weile wurde mir bewusst, dass dies keine besonders sinnvolle Reaktion darauf sein konnte, dass ein Teenager abgehauen war.
    Also durchsuchte ich methodisch ihr Zimmer. Mit ihren Klamotten kannte ich mich nicht aus, aber ich vermutete mal, dass ein paar Sachen fehlten. Einen Rucksack konnte ich nirgends entdecken, was mich ein wenig erleichterte. Niemand braucht seinen Rucksack, um sich umzubringen. Auch Klaras Smartphone war verschwunden. Interessant. Dann machte ich eine wichtige Entdeckung, aber noch bevor ich darüber nachdenken konnte, kehrten die Kirchgänger zurück.
    Ich hörte zweisprachiges fröhliches Geplauder auf dem Hof und nahm an, dass bereits die Tische für das opulente Mittagessen hinausgetragen wurden.
    Ich blieb weiter auf dem Bett sitzen. Hatte echt keine Lust, allen die Stimmung zu verderben.
    Plötzlich hörte ich Paul. Ganz nah. »Klara, kommst du zum Essen? Lass uns den dummen Streit vergessen. Vielleicht hab ich bald eine schöne Überraschung für dich.«
    Der bittere Kaffee verursachte mir Sodbrennen. In meinen Händen hielt ich Klaras Überraschung für ihren Vater.
    Er klopfte und trat ein. Als er mich auf ihrem Bett entdeckte, musste er blinzeln.
    Er wirkte nicht erfreut. »Nele, was machst du hier?«
    Plötzlich musste ich gegen aufsteigende Tränen ankämpfen. Wenn der noch einmal so unterkühlt mit mir sprach, würde ich mich in den nächsten Fluss stürzen. Sofern es hier einen gab. Oder er konnte demnächst seine Knochen einzeln aufsammeln, um es mal mit Grete zu sagen.
    Fluss – Klara – Isar.
    Die Gedankenkette löste in mir eine heftige Reaktion aus. Ich sprang auf, ignorierte den aufflammenden Schmerz in meiner Nase und schrie: »Klara ist weg! Sie will sich was antun! Und ich bin schuld! Und du auch!«
    Paul wurde weiß wie die getünchte Wand des Zimmers und sackte dann lautlos in sich zusammen.
    Ich schrie noch ein bisschen lauter, und im nächsten Moment stürmten Leute herein. Occhipintis und Lüttjens’ wild durcheinander.
    Jan war der schnellste. »Das ist ja hier schlimmer als bei Grey’s Anatomy!«
    Irene, Marcello und meine Brüderzwillinge folgten. Dann Mama, Papa, Margherita, Anna und Grete.
    Paul kam schon wieder zu sich und stand auf.
    Gott sei Dank. Er hätte locker totgetrampelt werden können. An der Tür ging es gerade weder vor noch zurück. Ein paar Leute waren eingekeilt, und ich fürchtete um die zarte Marie. Dann löste sich das Knäuel, und die Imperatoren kamen herein, mit Sissi in ihrer Mitte.
    Die Luft wurde knapp, fand ich, und ich sah ein paar Sterne vor meinen Augen tanzen.
    Papa reckte sich zur vollen Größe. Er überragte sämtliche Anwesende um Kopfeslänge.
    »Schluss jetzt!«, rief er. »Alle gehen wieder hinaus, bis auf Heidi. Und zwar geordnet!«
    Margherita übersetzte, und der Rückzug begann zögerlich, aber willig.
    Als ich mit Paul und meinen Eltern allein war, fragte Papa, was geschehen sei. Ich zeigte ihm Klaras Zettel und wollte gerade von meiner wichtigen Entdeckung erzählen, als Papa die Hand hob.
    »Moment.«
    Ich schwieg. Paul saß nun auf dem Bett und wirkte noch immer ziemlich blass um die Nase. Ich hatte null Mitleid.
    Endlich ließ Papa den Zettel sinken. »Jetzt man immer langsam mit den jungen Pferden. Junge Leute büxen alle naselang aus. Nele war in dem Alter dreimal weg, und Jan sogar öfter.«
    Echt? Dreimal? Ich konnte mich nur noch daran erinnern, wie ich mit Karl

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