Oma packt aus
Stress mit ihr sparen.
Stattdessen hörte er schweigend zu, wie Klara sich immer mehr in eine ausgewachsene Hysterie hineinsteigerte.
Ich auch.
Sie schrie und fluchte, beschimpfte ihren Vater als hinterhältigen Feigling und wünschte ihm unter anderem die Krätze an den Hals.
Nett.
Paul ließ zwischendurch mal einen tiefen Seufzer los. Tja, leicht hatte er es wirklich nicht. Aber bevor ich Mitleid mit ihm haben konnte, erinnerte ich mich schnell an seine abweisende Art. Wie ich das hasste! Konnte er nicht einfach sagen: »Liebste Nele, ich habe eine Menge Probleme am Hals und demnächst wahrscheinlich auch noch die Krätze, aber ich liebe dich über alles«?
Nein, das war offensichtlich zu viel verlangt.
Shit.
Klara hatte sich irgendwann heiser geschrien und flüsterte bald nur noch. Ich verstand kein Wort mehr und war ganz froh darüber. Leise schlich ich zur Seite und war schon fast an der Tür, als ich mit Rüdiger zusammenstieß.
Der hatte wohl nicht mit in die Kirche gedurft und war nun vorsichtig zu mir herübergekommen, um zu sehen, ob das Monster aus mir gefahren und seine Freundin Nele zurückgekehrt war.
Rüdiger jaulte auf. Entweder weil ich ihm auf die Zehen gestapft war oder weil das Monster noch hässlicher war als am Vortag. Wahrscheinlich beides.
Ruckzuck verkroch er sich wieder hinter dem Feigenbaum.
Paul stand plötzlich in der Tür.
»Was ist hier los?«
Hey, in dem Ton kannst du vielleicht mit deiner renitenten Tochter reden, aber nicht mit mir!
Ich würdigte ihn keiner Antwort, sondern betrat die Küche und kochte Kaffee.
»Heute siehst du aus wie ausgekotzt«, begrüßte mich Klara.
Ich hatte schlagartig die Nase voll von ihr und antwortete auf Grete-Deutsch. »Schäm dich! Du bist das ungezogenste Gör, das mir je untergekommen ist!«
Klappte super.
Klara heulte auf und stürmte durch die Tür nach draußen. Ich fühlte mich allerdings ziemlich mies. Besonders als Paul leise sagte: »So kannst du doch nicht mit einem Kind reden.«
Kind? Na ja. Ich war mit sechzehn kein Kind mehr gewesen.
Ach, Mist.
Paul ging auch hinaus, und mein Kaffee schmeckte bitter. Auch mit fünf Löffeln Zucker. Wenn ich so weitermachte, würde ich noch die böse Stiefmutter werden, wie sie im Märchen steht.
Eine gute Stunde brütete ich so vor mich hin, bis ich endlich beschloss, zweierlei zu tun. Erstens: mich mit Klara aussöhnen. Zweitens: Paul eine reinhauen.
Äh – nein.
Zweitens: mit Paul ein ernsthaftes Gespräch über seine Pläne und unsere Zukunft führen. Und ihn anschließend küssen, bis uns beiden die Sinne vergehen. Nein, das auch nicht. War ja rein schmerztechnisch unmöglich.
Okay, also erst Klara.
Wo waren sie und Paul eigentlich untergebracht?
In einer anderen Küche fand ich ein paar Frauen vor, die vermutlich schon zur Frühmesse gegangen waren und sich nun um das leibliche Wohl der Verwandtschaft kümmerten. Sie füllten mit flinken Fingern kleine Teigtaschen mit einer Fleischfarce und rollten sie zu Tortellini. Auf dem Herd köchelte schon die Brühe.
Gestenreich erkundigte ich mich nach Klara. Wer von den Frauen gerade die Hände frei hatte, rang diese in Richtung Himmel. Ich war versucht mitzumachen. Spucken war in der Küche vermutlich verboten, sonst hätte ich das auch noch erlebt.
Zwei jüngere Frauen allerdings hatten Mitleid im Blick und sagten Worte wie »povera Bambina«. Ich ahnte, das sollte armes Kind heißen.
Nun bekam ich eine Wegbeschreibung zum hintersten Trullo des Anwesens.
Ich bedankte mich und lief los, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
Die Orientierung war leicht. Vor dem Feigenbaum und Rüdigers hervorragendem Hinterteil links und dann dreißig Meter geradeaus.
Diesmal wollte ich mich nicht anschleichen und machte besonders viel Krach. Ich pfiff ein Lied, wobei ich noch schnell von Heino auf Antonello Venditti umschwenkte, kickte gegen eine leere Coladose und rief einem vorbeiziehenden Vogelschwarm einen lauten Gruß zu.
»Hoffentlich werdet ihr nicht gefangen und gegrillt!« Die Vogeljagd war in Italien ja seit Längerem verboten, aber ob sich jeder daran hielt?
Komisch, dass Klara sich nicht blicken ließ.
Ich klopfte laut gegen die Eingangstür. Keine Reaktion. Offenbar war niemand zu Hause. Weder Tochter noch Vater.
Unschlüssig stand ich eine Weile draußen herum. Vielleicht sollte ich einmal nachschauen? Mein schlechtes Gewissen, weil ich sie so angefahren hatte, plagte mich schwer. Genau, nur einmal davon überzeugen,
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