Oma und Frieder - Sammelband
sieht mit einem Blick: Der Nikolaus war da! Der Omaschlappen ist voll! Drei Tüten Pfefferminzbonbons quellen raus. Und ein Stück Seife glitzert, schön eingewickelt in Knisterpapier. Da wird sich die Oma aber freuen! Seife hat sie doch so gerne.
Frieder grinst und greift nach seinem Schlappen ... Frieder grinst nicht mehr. Dem Frieder bleibt der Mund offen stehen, weil ... sein Schlappen ist leer! Frieder traut seinen Augen nicht. Er schüttelt ihn. Nichts. Bloß ein schmutziger Socken steckt drin, sonst nichts! Und den hat er selber beim Ausziehen vergessen. Und der Nikolaus hat ihn vergessen. Zum ersten Mal! Frieder schluckt und mit dem Schlucken kommen Tränen. Ganz leise stellt er den Schlappen wieder hin. Ganz leise schleicht er wieder in sein Zimmer. Ganz leise kriecht er in sein Bett. Und da heult er erst mal. Lange und ziemlich leise. In den Bauch vom Teddy hinein. Doch plötzlich ist er still. Er hat was gehört. Da schleicht wer auf dem Flur ... Frieder hält den Atem an, sitzt aufrecht im Bett, den nass geheulten Teddy im Arm ... Wer schleicht denn da? Schleicht da der Nikolaus? Schleicht da die Oma?
»Oma, ich bin wach!«, ruft der Frieder und hofft, es antwortet ihm der Nikolaus mit tiefer, brummiger Nikolausstimme: Frieder, steh auf und sieh in deinen Schlappen nach! Kein Nikolaus antwortet. Keine Oma antwortet. Es schleicht auch niemand mehr. Alles still. Enttäuscht kriecht Frieder wieder in die Kissen ... da fährt er hoch. Da schreit's. Ganz laut. Die Oma! Frieder hat es deutlich gehört. Wie der Blitz saust Frieder aus dem Bett, saust raus ... da steht die Oma, strahlt übers ganze Gesicht und hält ihren Schlappen in der Hand. Den vollen. Als sie den Frieder sieht, macht sie gleich ein schuldbewusstes Gesicht und wispert ihm zu: »Verrat mich bloß nicht beim Nikolaus! Weil ich's nimmer ausgehalten hab. Bis zum Morgen ist so lang. Schau her, was mir der Nikolaus gebracht hat!« Und sie hält dem Frieder die Seife unter die Nase. Frieder nickt und seufzt. Die Oma freut sich so. Er täte sich auch so gerne freuen. Er kann ja leider nicht. Weil, sein Schlappen ist ja leider leer ... ihn hat ja leider der Nikolaus vergessen. Mit dem tiefen Friederseufzer kommen wieder Tränen. Die
tropfen auf den leeren Friederschlappen drauf. Auf den leeren? Auf den vollen! Frieder starrt, blinzelt, starrt ... Der Schlappen ist voll. Und wie! Der quillt ja über! Noch viel mehr als der von der Oma! Mit einem Platsch hockt sich der Frieder hin. Mitten ins Treppenhaus. Und staunt. Staunt seinen Schlappen an. Schokoladenkringel stecken drin und Nüsse und Bonbons. Und im schmutzigen Socken steckt ein klitzekleines knallrotes Flugzeug. Mit echten Rädern dran. Das hat er sich schon lange gewünscht. Frieder kriegt knallrote Backen, so rot wie das Flugzeug, und jubelt los: »Mensch, Oma! Mein Schlappen ist ja voll!«
»Ich bin zwar eine alte Frau, aber blind bin ich nicht, Bub Ungeduld, du lausriger«, sagt die Oma. »Gib mir mal gleich den Socken her, der gehört in die Wäsch' und nicht in einen Nikolausschlappen, wie oft soll ich das noch sagen.« Aber sie grinst dabei und schiebt sich einen Pfefferminzbonbon in den Mund.
»Und nachgeguckt wird erst am Morgen, Oma Ungeduld, wie oft soll ich das noch sagen«, sagt der Frieder und kaut schon auf seinem Schokoladenkringel.
Da droht ihm die Oma mit dem Schlappen, aber Frieder ist schon in der Küche. Und dann sitzen Oma und Frieder in stockfinsterer Mitternacht am Küchentisch und knacken Nüsse und naschen Süßes und bewundern ihre Uber-raschungen. Frieder überlegt lange, wann wohl der Nikolaus zurückgekommen ist, um seinen Schlappen zu füllen, den vergessenen. Und warum er ihn wohl vergessen hat ... und als ihm vor lauter Uberlegen die Augen zufallen, da trägt ihn die Oma ins Bett und das klitzekleine knallrote Flugzeug trägt sie auch. Und als sie dem Frieder einen Gute-Nacht-Schmatz gibt, da kriegt die Oma einen pappigen Mund. Weil Schokoladenkringelschokolade auf Frieders Backe klebt.
»Oma«, schreit der Frieder und zupft an Omas Rock. »Oma, schau mal, was ich hab! Ich hab ein lahmes Bein!« »Ja, lässt du mich gleich los, Rotzbub!«, zetert die Oma. Sie kniet im Garten am Gemüsebeet, rupft Unkraut und schaut nicht auf. Frieder lässt nicht locker. »Oma«, bettelt er, »jetzt schau doch mal! Mein schönes lahmes Krüppelbein!«
Da schaut die Oma endlich auf und sofort zetert sie los: »Ja spinnst du jetzt? Ja bist du denn vom wilden Watz gebissen?
Weitere Kostenlose Bücher