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Oma und Frieder - Sammelband

Oma und Frieder - Sammelband

Titel: Oma und Frieder - Sammelband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Mebs
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Was hast du?« »Ein lahmes Krüppelbein«, schreit der Frieder fröhlich und humpelt ausführlich vor der Oma auf und ab. Vorhin, auf der Straße, da hat er nämlich einen Mann gesehen. Der war ein Krüppel! Der hat gehinkt. Der hat ein Bein ganz steif nachgezogen. Das hat so komisch aus-gesehen. Das hat dem Frieder gut gefallen. Und er hat beschlossen, das probiert er auch. Jetzt gleich. Jetzt hinkt er und es geht gut! »Schau, Oma, schau, wie schön ich humpeln kann!«, schreit der Frieder und dreht eine Humpelrunde um die Oma.

    »Ich bin zwar eine alte Frau, aber blind bin ich nicht«, kreischt die Oma. »Damit macht man keine Scherze, dass du's nur weißt.« Und wütend rupft sie ein Unkraut aus. »Sei du froh, dass du deine heilen Beine hast. Sei du nur froh, dass du kein Krüppel bist. Und jetzt hörst du auf damit! Sofort!« Drohend schwingt sie das Un-krautpflänzchen.
    »Mensch, Oma«, murrt der Frieder und hinkt schnell ein Stückchen weg. »Mensch, Oma, ich spiel doch bloß!«
    »So was spielt man nicht«, schreit die Oma aufgebracht. »Das will ich nimmer sehen, haben wir uns verstanden!« Und sie wirft doch tatsächlich das Unkrautpflänzchen in Richtung Frieder.
    »Bähh«, macht der Frieder leise und verzieht sich. In die hinterste Gartenecke. Was hat die Oma denn? Warum ist sie denn so bös? Sie hat sogar mit einem Pflänzchen nach ihm geschmissen. Bloß weil er ein lahmes Bein hat. Bloß weil er hinken spielt. Hinken spielen ist doch lustig. Ein Bein kann laufen, das andere nicht. Und überhaupt, nie darf er spielen, was er grad will, überhaupt nie! Und überhaupt ... »Und überhaupt, auf Krüppel schmeißt man nicht!«, schreit der Frieder wütend zur Oma rüber.
    Die sagt nichts, die macht nur »Ha!«. Da ist der Frieder lieber still. Wenn die Oma »Ha!« macht, dann kommt was. Und meist nichts Gutes ... Frieder verzieht sich noch ein bisschen weiter weg. Hinter den Johannisbeerstrauch. Jetzt kann ihn die Oma nicht mehr sehen. So! Und jetzt hinkt er. So lange und so viel er will. Jetzt grad. So! Frieder grinst und streckt die Zunge raus. Längelang zum Johannisbeerstrauch. Den meint er nicht, aber die Oma, dahinter ...
    »Und jetzt bin ich doch ein Krüppel«, murmelt der Frieder und legt los.
    »Krüppelbein, eins — zwei, Krüppelbein, eins — zwei.« Und im Takt dazu humpelt er nach rechts, humpelt nach links, humpelt vorwärts, humpelt rückwärts ... und da hat er den Stein nicht gesehen. Den Stein, der da im Weg liegt. Es tut einen Platsch. Und Frieder liegt auf der Nase. Längelang. Hinter dem Johannisbeerstrauch. Frieder schnappt nach Luft ... und spürt ... sein Bein, das lahme Krüppelbein! Das schmerzt! Und wie! Es brennt wie Feuer! Frieder hält die Luft an vor Schreck. Und dann plärrt er los: »Oma! Au! Au, Oma! Mein Bein, mein Krüppelbein!«
    »Hör sofort auf!«, schreit die Oma zurück. »Wie oft soll ich das noch sagen! So ein gotteslästerliches Spiel! Nix will ich hören.« Erschrocken macht der Frieder den Mund wieder zu. Die Oma glaubt ihm nicht. Das kann er deutlich hören. Aber wenn's doch stimmt! Er hat sich doch wehgetan. In echt!

    Vorsichtig befühlt der Frieder sein Bein. Er fühlt was Nasses ... das ist Blut! Von oben bis unten Blut! Bestimmt! Frieder kneift die Augen fest zu. Sein Bein ist ab, bestimmt! Es ist nicht ab, es tut nämlich weh. Was wehtut, ist nicht ab, das ist dem Frieder klar. Vorsichtig bewegt der Frieder das Bein, ganz vorsichtig ... es schmerzt. Es schmerzt so arg, wie ihn noch nie was geschmerzt hat. Bestimmt. Bestimmt tut es jetzt immer weh, wenn er es bewegen will. Dann kann er es nicht mehr bewegen. Dann ist das Bein steif. Dann hat er ein Krüppelbein. Ein echtes. Nie wieder kann er springen und rennen. Bloß hinken. Für immer ... Der Frieder liegt platt auf dem Boden. Der Frieder liegt ganz still. Der Frieder weint. Ganz leise und ganz jämmerlich. Da steht plötzlich die Oma neben ihm, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und zetert los: »Ja, was ist jetzt das? Liegt doch der Rotzbub im Dreck und heult! Gleich stehst du auf, Drecklauser du!« »Kann doch nicht, Oma«, wimmert der Frieder. »Oma, ich hab ein Krüppelbein. Mit Blut!« »Was hast du?«, sagt die Oma. Und dann sagt sie nichts mehr. Sie packt den Frieder, zieht ihn hoch, stellt ihn auf die Beine und fragt kurz: »Wo tut's weh!«
    Heulend zeigt der Frieder aufs Knie. Da ist wirklich Blut. Zwei Blutstropfen. Oder drei. Die wischt die Oma weg. Mit Spucke. »Hinkebub,

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