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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Unterbosse und über 200  Soldaten aus acht verschiedenen Mafiazellen. Er deckte ihre Kontakte auf, die weit über Palermo hinausreichten – bis nach Tunesien, einem Außenposten des Zitronenhandels –, erläuterte, wie sie Versammlungen abhielten, Gerichtsverhandlungen führten und kollektive Hinrichtungen vollstreckten, sobald ein Mitglied im Verdacht stand, gegen eine ihrer Regeln verstoßen zu haben – besonders gegen jene, die besagte, dass die Befehle der Bosse mit blindem Gehorsam auszuführen waren. Sangiorgi nannte sogar den »Oberboss der Region«, den 50 -jährigen Zitrusfrüchtehändler und
capo
der
cosca
von Malaspina, Francesco Siino.
    Der Name Siino hatte einen bekannten Klang für Sangiorgi. Francescos älterer Bruder Alfonso, jetzt verantwortlich für den Uditore-Zweig der Sekte, war einer der beiden Killer, die 1874 den Sohn des alten Gambino erschossen hatten und dank des »Brudermord«-Komplotts ungestraft davongekommen waren. Viele andere Namen in Sangiorgis Bericht weckten unselige Erinnerungen: Namen wie Cusimano und vor allem Giammona. Antonino Giammona war der dichtende Boss jener Familie, deren Inititationsritual Sangiorgi 1876 aufgedeckt hatte. Der Alte war mittlerweile fast 80 , aber noch immer sehr mächtig.
    »Mit seinen Ratschlägen, die auf langjähriger Erfahrung und einem langen Strafregister gründen, gibt er die Richtung vor. Von ihm lernen Novizen, wie man Verbrechen begeht und sich vor Verfolgung schützt, vor allem, wie man sich ein Alibi beschafft.«
    Brachte man all diese Namen miteinander in Verbindung, ergab sich weit mehr als eine gemeinsame Geschichte von Mord und Erpressung. Während Ermanno Sangiorgi, von seiner kräftezehrenden Polizeiarbeit in Anspruch genommen, Mühe hatte, seine eigene kleine Familie zusammenzuhalten, hatten die Gangsterfamilien im Hinterland von Palermo untereinander geheiratet und Macht und Reichtum an ihre Abkömmlinge weitergegeben: Antonino Giammonas Sohn Giuseppe war
capo
in Passo di Rigano, Alfonso Siinos Sohn Filippo Unterboss in Uditore. Eine Generation nach seiner letzten Begegnung mit den Gangstern in Palermo erkannte Sangiorgi, dass sich die Mafia mit ihrer Heiratspolitik kriminelle Dynastien geschaffen hatte. Während Bosse, Unterbosse und
cosche
das Gerippe der Mafia bildeten, waren diese Familienbande wie ihre Blutbahnen.
    Sangiorgi entdeckte auch enge Kontakte zwischen dieser neuen Verbrecheraristokratie und einigen der älteren Dynastien Palermos, zum Beispiel den Florios, der reichsten Familie Siziliens. Ignazio, das Oberhaupt des Hauses Florio, war Unternehmer in vierter Generation. Sein Vater hatte in eine der blaublütigsten Familien Siziliens eingeheiratet. Das Vermögen, das Ignazio erbte, beinhaltete den Hauptanteil der NGI -Reederei, deren Aktien heimlich mit Geldern der Bank von Sizilien in die Höhe getrieben worden waren. Ignazio, der Geschmack und Stil besaß, war noch in den Zwanzigern, als Sangiorgi Polizeichef wurde, und gab in der sizilianischen
monde
den dekadenten Ton an. Florio verwandelte Palermo – oder Floriopolis, wie es jetzt hieß – in ein beliebtes Reiseziel europäischer Yachtenbesitzer. Seine üppige Villa, inmitten eigener Parkanlagen, umgeben von den duftenden Zitrushainen der Conca d’Oro, wurde zum Zentrum des gesellschaftlichen Lebens. Doch wie Sangiorgi herausfand, war die Florio-Villa auch für die Ehrenwerte Gesellschaft Siziliens von Bedeutung.
    Die Männer, die dort für die Sicherheit zuständig waren, waren der »Gärtner« Francesco Noto und sein jüngerer Bruder Pietro – beziehungsweise Boss und Unterboss der Mafia-
cosca
aus Olivuzza. Sangiorgi fand nicht heraus, wie die Bedingungen des Übereinkommens zwischen den Noto-Brüdern und Ignazio Florio im Einzelnen lauteten. Doch war es fast immer die Furcht der Besitzenden, mit deren Hilfe Mafiosi ihren Fuß in die Tür bekamen. Entführungen stellen ein ernsthaftes Risiko dar, dürften die Noto-Brüder Ignazio Florio in unterwürfigem Ton erklärt haben. Aber wir können für Ihre Sicherheit sorgen. Und kaum war die Sicherheit der Florios in den Händen der Mafia, konnte die Beziehung jede erdenkliche Wendung nehmen – meist zu beiderseitigem Vorteil. Mörder in der Hinterhand zu haben, an die man sich wenden kann, ist unter Umständen ziemlich verlockend.
    1897 erwachte Ignazio Florio eines Morgens und entdeckte, dass seine Sicherheit in eklatanter Weise gefährdet worden war: In die Villa war eingebrochen worden, und es fehlten

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