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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Informanten überredet, das Schweigegelübde zu brechen, und ihn anschließend beschützt; er hatte außerdem das Ermittlungsteam geleitet, das angeblich den Ring mit den Initialen G. C. gefunden hatte.
    Lächerlich schwülstige Geschichten von Capezzutis Heldenmut waren zwischen den Morden und dem Prozess um die Welt gegangen. Er habe sich als Camorrista verkleidet, hieß es, und sich gar einem rituellen Messerkampf unterzogen. Dann habe er das Gelübde abgelegt und sei in die Ehrenwerte Gesellschaft aufgenommen worden. Die
New York Times
behauptete gar, er habe »einen detektivischen Geniestreich vollbracht«. Die
Washington Times
berichtete, Capezzuti werde sich nach dem Prozess vermutlich in ein Kloster zurückziehen – die einzig sichere Zuflucht vor der Rache der Camorra. Zeitungen weltweit setzten Capezzuti mit Sherlock Holmes gleich.
    Es ist nicht ganz klar, wie dieses Märchen über den »Sherlock Holmes« von Neapel seinen Anfang nahm, da Capezzuti im Zeugenstand kaum eine Äußerung machte, die es gerechtfertigt hätte. Der Feldwebel hielt gelassen an jedem Detail der Anklage fest, auch an der Geschichte mit dem Ring. Seine Aussage war wohlüberlegt und für all jene, die einen Sherlock Holmes erwartet hatten, ziemlich fade.
    Hauptmann Carlo Fabronis Auftritt dagegen war ganz und gar nicht fade. Der Carabiniere, der die Cuocolo-Untersuchung leitete, stammte aus der Region der Marken und war erst kurz nach den Cuocolo-Morden nach Neapel versetzt worden. Eine seiner ersten Tätigkeiten hatte seiner Aussage nach darin bestanden, sämtliche Veröffentlichungen über die Camorra zu lesen. Was er dann im Zuge seiner Ermittlungen herausgefunden hatte, deckte sich mit dem, was in den Büchern stand.
    Während Hauptmann Fabroni mit seiner Zeugenaussage fortfuhr, schwoll sein Selbstbewusstsein zur Überheblichkeit. Er fegte jeden Verdacht beiseite, Abbatemaggio könne womöglich nicht die volle Wahrheit sagen.
    »Angesichts meiner militärischen Verdienste ließe mich allein schon der Gedanke erröten, jemand könne auf mein Betreiben hin die unsägliche Schändlichkeit begehen, eine haltlose Anklage zu erheben.«
    Während des Kreuzverhörs forderte Fabroni bei jeder Gelegenheit die Verteidigung heraus und äußerte den Verdacht, dass Polizei und Politik, sogar die Justiz mit der Camorra im Bunde stünden. Bei einer Gelegenheit behauptete er, Erricone sei nur deshalb von einer früheren Erpressungsanklage freigesprochen worden, weil sein Verteidiger der Bruder des Richters gewesen sei; angesichts dieser kollektiven Schmähung ihres Berufsstandes legten sämtliche Anwälte ihre Talare ab und verließen unter Protest den Saal.
    Doch Hauptmann Fabronis verstörendster Schachzug war – im übertragenen Sinne – eine Handgranate, die er im Schoß seines Kronzeugen explodieren ließ. Seit den ersten Anhörungen war die Detailliertheit von Abbatemaggios Schilderungen bestaunt worden. Das »Grammophon« erzählte dem Gericht, in welcher Reihenfolge die Camorristi ihre Opfer erstochen und sogar, welche Beschimpfungen sie dabei ausgestoßen hätten. War es wirklich plausibel, dass die Killer in dieser Ausführlichkeit mit Abbatemaggio über ihre blutigen Aktionen gesprochen hatten?
    Hauptmann Fabronis Erwiderung auf diese Frage war ein hochriskanter Schachzug, denn er wollte den Charakter des Spitzels in Zweifel ziehen, dabei aber dessen Aussage unangetastet lassen. Abbatemaggio habe nicht etwa gegen die Omertà verstoßen, weil er sich ein ehrbares Leben mit seiner neuen Frau wünsche, erklärte Fabroni: Das sei nur ein Vorwand gewesen. Sein wahres Motiv sei Angst – die Angst davor, dass die Camorra auch ihn töten könnte, wie die Cuocolos. Grund dieser Angst sei die Tatsache, dass er versucht habe, seine Komplizen zu erpressen. Und dass er genug wisse, um sie zu erpressen, sei höchstwahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass er an einem oder auch beiden Tatorten zugegen gewesen sei. Vielleicht war Abbatemaggio sogar selbst einer der Killer gewesen. Wie Hauptmann Fabroni schlussfolgerte, »ist es einfach unmöglich, eine solch entsetzliche Tragödie bis ins kleinste Detail zu rekonstruieren, wenn man nicht auf irgendeine Art daran teilhatte«.
    Nachdem die Weltpresse Hauptmann Fabronis Worte zur Kenntnis genommen hatte, revidierte sie auf der Stelle ihre sentimentale Meinung über das »Grammophon«. Eine australische Zeitung nannte den Zeugen »einen Schurken übelster Sorte«. Auch war Hauptmann Fabroni nicht der

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