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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Stute zur Rede stellt, widersteht er den Versuchen des Bosses, ihn auf die Seite der Mafia und ihrer Denkweise zu ziehen. (Die Szene, mit der ich das Kapitel begonnen habe.)
    Schließlich überlebt Schiavi knapp einen Mordversuch. Er fügt sich in seine Niederlage und beschließt, seinen Posten aufzugeben. Doch als er gerade den Zug in die sichere Stadt besteigen will, erfährt er, dass sein einziger Freund vor Ort, ein ehrlicher 17 -jähriger Junge mit Namen Paolino, von einem abtrünnigen Mafioso ermordet worden ist. Entrüstet und verstört kehrt Schiavi in den Ort zurück. Er läutet die Kirchenglocken, um die gesamte Einwohnerschaft auf der Piazza zu versammeln. Staat und Mafia sollten ihr Duell am Mittag ausfechten – der vielleicht abstruseste Höhepunkt in der langen Geschichte des Gangsterfilms.
     
    Die Kirchenglocke schickt einen fortwährenden, hartnäckigen Ruf über die staubige Piazza, die verwitterten Dächer und die umliegenden Felder. Wir sehen die arbeitslosen Bergleute, die dösend am Feldrand sitzen, die Köpfe heben und lauschen. Die Kamera schwenkt zu den Frauen, jung und alt, die aus den Häusern kommen, in ihre schwarzen Schals gehüllt; und zum eleganten Club, wo der Bürgermeister und seine Kumpane ihr Bakkarat vergessen und sich der Quelle des Alarms zuwenden.
    Ohne Diskussion stehen alle auf und folgen dem Ruf der Glocken. Die Mulitreiber machen sich kaum die Mühe, ihre Tiere festzubinden. Arbeiter lassen ihre Hacken in die Furchen fallen. Bald laufen die Leute in Scharen auf der Piazza zusammen. Angeführt von Turi Passalacqua auf seiner weißen Stute, galoppieren sogar die Mafiosi – wie stets von ihrer rhythmischen Kennmelodie begleitet – in die Stadt, um sich der Menge vor den Kirchenstufen anzuschließen.
    Man hört gespanntes Stimmengemurmel, als der junge Richter Guido Schiavi aus der Kirche tritt. Stille senkt sich auf die Menge herab, als er seine Rede beginnt:
    »Jetzt, da ihr alle hier seid, erkläre ich diese Versammlung zum Prozess. Vor einer halben Stunde haben wir Paolinos Leiche gefunden, von einer doppelläufigen Flinte zerrissen. Er war siebzehn Jahre alt und hat niemandem je etwas zuleide getan.«
    Schiavi lässt den Blick über die Menge schweifen, während er spricht, sieht jedem der Anwesenden geradewegs in die Augen. Dann, den Blick intensivierend, wendet der Richter sich an die Gruppe der Reiter mit den versteinerten Mienen.
    »Ihr dort, Männer der Mafia. Und du, Turi Passalacqua. Eure blutige, grausame Gerechtigkeit bestraft nur den, der euch trotzt, und schützt nur die, die eure Urteile vollstrecken.«
    Bei diesen Worten richtet einer der Mafiosi die Flinte auf den Richter. Mit sanfter Gewalt drückt der Boss den Lauf wieder nach unten.
    Guido Schiavi zögert keinen Augenblick:
    »Und ihr stellt eure Gerechtigkeit über das wahre Gesetz – das einzige Gesetz, das es uns erlaubt, mit unseren Nachbarn zu leben, ohne dass wir einander wie wilde Bestien in Stücke reißen.
    Ist es nicht so,
Massaro
Passalacqua?«
    Ein jeder auf der Piazza reckt den Hals, um zu sehen, wie der
capomafia
auf diese atemberaubende Provokation reagieren wird. Eine leichte Veränderung im Blick zeigt, dass er verstört ist: Seine Gelassenheit weicht feierlichem Ernst. Vor dem Hintergrund des Himmels setzt Turi Passalacqua zu einer Rede von geschichtsträchtiger Tiefe an:
    »Das waren harte Worte, Herr Richter. Bis heute hat noch niemand so mit uns gesprochen.
    Doch Eure Worte waren auch gerecht. Meine Leute und ich sind heute nicht hierhergekommen, um Euch reden zu hören … Doch Eure Worte haben mich an meinen Sohn erinnert. Ich wäre stolz, ihn so sprechen zu hören.
    Also werde ich meinen Freunden sagen, dass es an der Zeit ist umzukehren, sich in dieser Stadt wieder dem Gesetz zu beugen. Vielleicht haben alle hier Paolino getötet. Doch nur einer hat abgedrückt. Ich überlasse ihn Euch, auf dass er gerichtet werde nach den Gesetzen des Staates.«
    Er dreht sich um, und mit einer Bewegung des Kopfes gibt er seinen Leuten Weisung. Diese jagen dem Mörder auf ihren Pferden hinterher, drängen ihn in eine Ecke und verhindern damit seine Flucht: Es ist der abtrünnige Mafioso Francesco Messana.
    Der Richter, flankiert von zwei Carabinieri, tritt vor ihn hin. »Francesco Messana, ich verhafte dich im Namen des Gesetzes.«
    Der Mörder wird abgeführt. Der Richter dreht sich um und blickt mit glühender Dankbarkeit zu dem Mafiaboss auf, um die Schlussworte des Films zu

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