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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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sprechen:
    »Im Namen des Gesetzes!«
    Damit schwenkt die Kamera erneut zu Turi Passalacqua, dessen Silhouette sich vor dem Himmel abzeichnet. Seine Gelassenheit ist wieder da, und die Andeutung eines Lächelns spielt um seine Lippen. Wieder ertönt die Kennmelodie der Mafia. Während der Abspann beginnt, wendet der Boss seine weiße Stute, um allen voran in heroischem Galopp in den Sonnenuntergang zu reiten.
     
    Mafiosi sind keine Kriminellen, sagt uns
Im Namen des Gesetzes
. Turi Passalacqua ist ein Mann, dem daran gelegen ist, einem Ehrenkodex zu genügen, der auf primitive Weise ein ebenso bewundernswertes Gesetz vertritt wie dasjenige, dem der Richter Guido Schiavi Geltung verschaffen will. Spricht man diese Mafiosi nur mit fester Stimme an, sorgen sie für Ruhe und Ordnung. Die Mafia findet am Ende des Films ihre wahre Bestimmung, die beste Möglichkeit, ihrer innersten Überzeugung Rechnung zu tragen: Sie wird zur Hilfstruppe der Polizei. Wenn Sizilien tatsächlich Arizona wäre, und
Im Namen des Gesetzes
wirklich ein Western, dann wüssten wir nicht, welcher der beiden Männer den Sheriffstern tragen sollte.
    Im Namen des Gesetzes
ist kein Film über die Mafia, sondern Mafiapropaganda in Reinstform, eine schlaue und stilvolle Variante jener Art von »Lügenmärchen«, gegen die Giuseppe Guido Lo Schiavo noch in den 1930 er Jahren heftig gegeifert hatte. In den 1940 ern war jeder chaotische Tag auf Sizilien nur ein Beweis mehr, dass Mafiosi alles andere als Freunde von Recht und Gesetz waren. Doch ausgerechnet in diesen Jahren nahmen Lo Schiavos Ansichten über die Mafia eine erstaunliche Wendung. Lo Schiavo glaubte plötzlich an ihre Lügen.
    Wer Giuseppe Guido Lo Schiavo gegenüber Großmut walten lassen will, muss annehmen, dass Pietro Germi mit seinem Film die Aussage der Romanvorlage verfälschte, indem er einer eher grimmigen sizilianischen Erzählung ein glückliches Hollywoodende aufpfropfte. Natürlich wäre es 1948 schwierig gewesen, ein realistisches Bild der Mafia zu zeichnen. Während der Produktion kursierte das Gerücht, dass Pietro Germi, als er auf Sizilien ankam, von einigen führenden Männern der Mafia angesprochen worden war, die ihm die Dreherlaubnis verweigerten, bis sie das Drehbuch für gut befunden hatten. Nach der Filmpremiere debattierte während einer Pressekonferenz ein junger Sizilianer im Publikum mit Germi über die Authentizität der Ehrenmänner im Film: Ob der Regisseur denn nicht wisse, fragte er, dass die echte Mafia bereits zig Menschen umgebracht habe? Germi konnte nur lahm entgegnen: »Hätte ich Ihrer Meinung nach genauso enden sollen?«
    Doch die Schwierigkeiten, mit denen Germi sich auf Sizilien konfrontiert sah, sind keine Entschuldigung für Giuseppe Guido Lo Schiavo. Sein Roman ist nämlich
noch
mafiafreundlicher als Germis Film. In Lo Schiavos Geschichte ist der Mafiaboss Turi Passalacqua »die Weisheit, Besonnenheit und Ruhe in Person (…) dickbäuchig, kahlgeschoren und lächelnd wie ein gütiger Buddha«.
    Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Ein Richter, der zu Beginn der 1930 er Jahre eine Geißel der Mafia gewesen war, wurde Mitte der 1940 er Jahre zu ihrem begeisterten Sprachrohr, dessen irreführende Behauptungen ohne weiteres von den gerissensten Anwälten der Mafia hätten stammen können. Früher hatte sich Giuseppe Guido Lo Schiavo verächtlich über die Art und Weise geäußert, wie »Literatur und Theater die Figur des Mafioso verherrlichten«. Nun tat seine eigene Fiktion genau dasselbe.
    Doch warum? Was hatte Lo Schiavo dazu gebracht, seine Ansichten so schamlos auf den Kopf zu stellen?
    Lo Schiavo war ein Konservativer, den seine politischen Sympathien in den 1920 er und 1930 er Jahren zu einem Anhänger Mussolinis gemacht hatten. Nach der Befreiung verwandelte dieser Konservativismus ihn in einen Freund der skrupellosesten Kriminellen auf der Insel. Seine bizarre Verfälschung der Mafiaakten in dem Roman
Piccola pretura
zeugte von einer unausgesprochenen, zutiefst zynischen Überzeugung: lieber die Mafia als die Kommunisten. Dieser schlichte Grundsatz reichte, um Lo Schiavo sein hart erworbenes Wissen über Siziliens »kriminelles System« vergessen zu lassen, ihn dazu zu bringen, dem Glauben an Recht und Gesetz abzuschwören, der als ethische Richtschnur seiner juristischen Berufung zugrunde lag.
    Turi Passalacqua, der heroische Banditenführer im Film
Im Namen des Gesetzes
, war einerseits lächerlich unrealistisch, andererseits aber

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