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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Wahlkampf während der Zeit des Kalten Krieges in Italien fand vor den allgemeinen Wahlen vom 18 . April 1948 statt. Ein berüchtigtes Wahlplakat zeigte die Gesichter von Spencer Tracy, Rita Hayworth, Clark Gable, Gary Cooper und Tyrone Power und behauptete, »die Hollywoodstars machen Front gegen den Kommunismus«. Doch es war hauptsächlich der Marshallplan – Amerikas gewaltiges wirtschaftliches Hilfsprogramm für Italien –, der dafür sorgte, dass die Kommunistische Partei Italiens und ihre Verbündeten eine entscheidende Niederlage erfuhren. Die Kommunistische Partei Italiens blieb in der Opposition und würde von nun an ein halbes Jahrhundert dort ausharren. Die Wahlsieger, die Christdemokraten, traten die Regierung an, die auch sie ein halbes Jahrhundert innehaben würden. Wie betonierte Schützengräben waren in der italienischen Politik die Fronten des Kalten Krieges gezogen.
    Einige Wochen nach diesen epochemachenden allgemeinen Wahlen berichtete der ranghöchste Polizeibeamte auf Sizilien: »Die Mafia war noch nie so mächtig und gut organisiert wie heute.« Niemand kümmerte sich darum.
    Die Kommunistische Partei und ihre Verbündeten waren als Einzige nicht willens zu vergessen. In Rom bemühten sie sich nach Kräften, die tolerante Haltung der Christdemokraten gegenüber der sizilianischen Mafia anzuprangern. Linke Parlamentarier wiesen darauf hin, wie christdemokratische Politiker Mafiabossen Gefälligkeiten erwiesen und sich ihrer als Wahlagenten bedienten. Dergleichen Proteste sollte es in den kommenden 40  Jahren immer wieder geben. Doch die Kommunisten sollten nie genügend Zulauf haben, um die Regierung zu bilden; sie galten als nicht wählbar und waren deshalb machtlos. Im Juni 1949 , wenige Wochen nachdem
Im Namen des Gesetzes
in den italienischen Kinos angelaufen war, wandte der Innenminister Mario Scelba sich an den Senat. Scelba hatte Zugang zu allem, was die Polizei über die Mafia auf Sizilien wusste. Doch er spottete über die Bedenken der Kommunisten gegen das organisierte Verbrechen und erklärte schlicht, was die Mafia für Sizilianer wie ihn tatsächlich bedeutete:
    »Sobald ein dralles Mädchen vorbeigeht, sagt Ihnen ein Sizilianer, sie sei Mafiosa. Wenn ein Junge reif ist für sein Alter, dann heißt es auf Sizilien, er sei Mafioso. Die Leute reden in allen möglichen Zusammenhängen von der Mafia, sie übertreiben eben gern, wenn Sie mich fragen.«
    Worauf Scelba anspielte, war, dass die Mafia, beziehungsweise die
mafiosità
, eine typisch sizilianische Eigenschaft war, die ebenso zum Inselalltag gehörte wie
Cannoli
und
Cassata
– und ebenso harmlos war. Die Allgemeinheit sollte dieses Mafiazeug, was immer das war, einfach vergessen und sich mit ernsthafteren Problemen beschäftigen.
    Über 40  Jahre seit Bestehen der Republik stellte Scelbas Partei, die
Democrazia Cristiana
, die verlässlichsten politischen Freunde der Mafia. Doch die
Democrazia Cristiana
war beileibe keine reine Mafiafront. Sie war ein riesiges, hybrides politisches Gefüge. Ihre Anhänger stammten aus dem Norden und aus dem Süden, waren Kardinäle und Kapitalisten, Staatsangestellte und Unternehmer, Bankiers und auch Bauernfamilien, deren gesamtes Vermögen aus einem kleinen Stück Land bestand. Was diese heterogene Wählerschaft vereinte, war lediglich die Angst vor dem Kommunismus.
    In Sizilien und Süditalien stießen die Christdemokraten auf eine Klasse von Politikern, die bereits lange vor der Ära des Faschismus die Politik beherrscht hatten: die Granden. Der typische Grande des Südens war Großgrundbesitzer oder Anwalt, oft selbst sehr begütert, doch ausnahmslos noch reicher in Verbindung mit Kirche und Staat. Patronage lautete das Zauberwort: Aus öffentlichen Ressourcen (Gehälter, Aufträge, Staatskredite, Lizenzen … oder auch nur eine Hilfe im Dickicht der Vorschriften) wurden private Beutestücke, die an ein persönliches Gefolge aus Familienmitgliedern und Anhängern verteilt wurden. Auf diese Weise zersetzten die Granden die anonymen Regierungsstrukturen und spannen daraus ein Netz aus Gefälligkeiten. Mafiosi waren die natürlichen Verbündeten der Granden. Über das Verhältnis zwischen Christdemokraten und Mafia lässt sich bestenfalls sagen, dass die Partei viel zu zersplittert war und von Interessengruppen geprägt, als dass sie die Granden hätte konfrontieren und isolieren können.
    Unter Mussolini hatten Polizisten und Staatsanwälte (wie schon mehrmals davor) gewissenhaft

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