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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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auch grausam authentisch, ein typisch sizilianisches Paradox.
Im Namen des Gesetzes
war zwar eine filmische Fiktion, verherrlichte aber dennoch einen sehr realen Pakt zwischen der Mafia und dem Staat in den Gründungsjahren der Italienischen Republik.
    Sizilien ist das Land der seltsamen Allianzen: zum Beispiel zwischen der begüterten Aristokratie und der Unterwelt in der Separatistenbewegung. Und als die separatistischen Bestrebungen im Scheitern begriffen waren, brachte der politische und kriminelle Druck von 1946 bis 1948 eine noch seltsamere Interessengemeinschaft hervor: ein Bündnis zwischen den Konservativen, der Mafia und der Polizei. Und genau diese Allianz feiert
Im Namen des Gesetzes
in der fiktiven Gestalt des Mafiabosses Turi Passalacqua, der aus dem Sattel seiner weißen Vollblutstute Moralpredigten hält.
    1946 teilten Polizei und Carabinieri der Regierung in Rom mit, sie benötigten Hilfe von höchster Ebene, um die Mafia zu besiegen, denn diese habe viele Freunde in der sizilianischen Oberschicht – Freunde, denen sie gefällig war, indem sie Wählerstimmen für sie zusammentrug. Doch sämtliche Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Möglicherweise waren konservative Politiker in Rom von der Aussicht überfordert, es mit der herrschenden Klasse einer Insel aufnehmen zu müssen, deren Loyalität Italien gegenüber zwar fragwürdig, deren konservative Einstellung aber über jeden Zweifel erhaben war. Oder, was noch weitaus zynischer wäre, es kam ihnen der Terror gegen die linksgerichtete Bauernbewegung im Grunde zupass. Also forderten sie Polizei und Carabinieri in Sizilien auf, die Mafia (also die eigentliche Ursache für das Verbrechensproblem) zu vergessen und stattdessen der Bekämpfung des Banditentums oberste Priorität einzuräumen.
    Die Polizei wusste, dass sie für die Bekämpfung des Banditentums Hilfe benötigte – die Hilfe der Mafia, die bereit war, sie mit dem nötigen Insiderwissen über die Bewegungen der Banden zu versorgen. Die Mafia wiederum schätzte die Tatsache, dass die Zusammenarbeit mit den Banditen keine dauerhafte Angelegenheit war. Sobald die Gesetzlosen ihre Nützlichkeit für sie verloren hatten, verrieten die Mafiosi sie an die Gesetzeshüter, um Freunde in hohen Ämtern zu gewinnen. So wurde die alte Tradition, die der Mafia eine »Handlangerrolle in der Verbrechensbekämpfung« einräumt, in der republikanischen Ära wiederbelebt.
    Über zahlreiche verborgene Kanäle erhielt die Polizei schon bald die erforderliche Hilfe von der Mafia. Gegen Ende des Jahres 1946 waren die Banditen beseitigt, die seit der Landung der Alliierten im Jahre 1943 ihr gesetzloses Unwesen auf Sizilien getrieben hatten. Davor hatten Polizeipatrouillen die Wildnis im Westen Siziliens durchstreift, ohne je eine Bande aufzustöbern. Nun stolperten sie mysteriöserweise geradezu über ihre Gegner, töteten oder verhafteten sie. Häufiger noch wurden ihnen Anführer der Banditen bereits tot serviert. Genau wie die Banditen in dem Film
Im Namen des Gesetzes
waren sie gefesselt in einen trockenen Brunnenschacht gestoßen oder in einer Bergschlucht kurzerhand von hinten erschossen worden. Als Italiens Demokratie heraufdämmerte, war die Mafia also
haargenau
das, was sie schon immer gewesen war. Sie war
haargenau
so, wie der Mafiajäger Giuseppe Guido Lo Schiavo und zig Polizisten und Carabinieri sie beschrieben hatten: ein verbrecherischer Geheimbund, dessen Mitglieder sich auf illegale Weise zu bereichern suchten und zu diesem Zweck mordeten, Feuer legten, Menschen entführten und Eigentum verwüsteten.
    Doch gleichzeitig entsprach die Mafia, abgesehen von einigen literarischen Freiheiten, genau dem Bild, das der Romanautor Giuseppe Guido Lo Schiavo und der Filmregisseur Pietro Germi von ihr gezeichnet hatten: Sie war ein Trupp Hilfspolizisten, die auf einer verbrechensgeplagten Insel den politischen Status quo bewahrten. Während sie weiterhin die Anführer eines »kriminellen Systems« blieben, schlüpften die klügsten Mafiabosse in das Kostüm, das Konservative für sie zurechtgeschneidert hatten. Sie schwangen sich in die Sättel ihrer imaginären weißen Stuten, töteten Mafiosi und Banditen, die politisch unbequem geworden waren, oder schlugen militante Bauern nieder, die nicht einsehen wollten, wie auf Sizilien der Hase lief. Und natürlich blieben die meisten politischen Morde der Mafia in der Nachkriegszeit unaufgeklärt – und dies mit Hilfe des Gesetzes.
     
    Der erste größere

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