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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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ein Phantombild des »kriminellen Systems« der Mafia erstellt. Jetzt, zu Zeiten des Kalten Krieges und der Christdemokraten, wurde dieses Bild zerschlagen und neu zusammengesetzt. Das Ergebnis waren die buddhagleichen Züge von Turi Passalacqua. Lieber die Mafia als die Kommunisten. Lieber die Cowboyphantasie im Hollywoodstil, die der Film
Im Namen des Gesetzes
beschwor, als ein ernsthafter Versuch, das kriminelle System auf der Insel, von dem viele bedeutende Vertreter der Regierungspartei ein integraler Bestandteil waren, zu durchschauen und zu beseitigen.
     
    Dank des Erfolgs von
Im Namen des Gesetzes
und dank seiner angesehenen Laufbahn als Richter wurde Giuseppe Guido Lo Schiavo in den 1950 er Jahren Italiens führender Mafiaexperte. Und so äußerte er bei jeder Gelegenheit dieselben zweckdienlichen Falschheiten, die er zum ersten Mal in seinem Roman zum Ausdruck gebracht hatte. Noch besorgniserregender war die Tatsache, dass er an der Ausbildungsstätte der Carabinieri Rechtswissenschaften lehrte, die Leitung der nationalen Filmprüfstelle innehatte und Richter am Obersten Gerichtshof war.
    1954 schrieb Lo Schiavo gar einen glühenden Nachruf auf den ehrenwerten
capomafia
Don Calogero Vizzini, der in seiner Heimatstadt Villalba friedlich verstorben war. Vizzini war in den turbulenten Jahren nach der Befreiung ein typischer Held der Mafiageschichte in all ihren Facetten gewesen. 1943 , als er unter der Militärregierung AMGOT zum Bürgermeister von Villalba ernannt worden war, hatte der damals 60 -jährige Boss bereits eine lange Karriere als Schutzgelderpresser, Viehdieb, Schwarzhändler und Schwefelminenbetreiber hinter sich. Im September des darauffolgenden Jahres hatten Vizzinis Männer einen landesweiten Skandal ausgelöst, weil sie einen kommunistischen Anführer, der nach Villalba gekommen war, um eine Rede zu halten, mit Handgranaten beworfen hatten. Vizzini war ein Anführer der Separatisten gewesen. Doch als deren Stern verblasst war, hatte er sich den Christdemokraten zugewandt. Zum großartigen Begräbnis des alten Mannes im Juli 1954 fanden sich Mafiabosse aus allen Teilen der Insel ein.
    Giuseppe Guido Lo Schiavo nahm den Tod Calogero Vizzinis zum Anlass, um seine üblichen Schmeicheleien über die Mafia abzulassen. Doch verblüffenderweise erzählte er außerdem, wie der fette alte Boss ihn an einem Sonntag des Jahres 1952 in Rom aufgesucht hatte. Er erinnerte sich lebhaft, wie er seinem Gast die Tür geöffnet und fasziniert in seine »rasiermesserscharfen, magnetischen« Augen geblickt hatte.
    Er hatte den Besucher höflich, aber nervös willkommen geheißen: »
Commendatore
Vizzini, ich bin —«
    »Für Euch bin ich kein
Commendatore
«, versetzte Vizzini, watschelte in das von Büchern gesäumte Arbeitszimmer und hievte den fleischigen Leib auf das Sofa. »Nennt mich Onkel Calò.«
    Onkel Calòs Ton war bestimmt, doch seine Umgangsart leutselig. Er lobte Lo Schiavo als einen Vertreter des Gesetzes, der hart sei, aber gerecht. Die beiden schüttelten einander die Hände zum Zeichen gegenseitigen Respekts. Lo Schiavo erzählte, dass Onkel Calò ihn an ein Bild aus der Vergangenheit erinnert habe: In seinen Anfangsjahren als Mafiarichter auf Sizilien sei er zum ersten Mal einem beleibten alten Mafiaboss begegnet, der immer eine weiße Stute ritt. Er beendete seinen Nachruf auf Onkel Calò mit guten Wünschen für dessen Nachfolger innerhalb der Mafia: »Möge sein Wirken stets die Gesetze des Staates respektieren und den allgemeinen sozialen Aufschwung befördern.«
    Lo Schiavos Schilderung des Gesprächs mit Don Calogero Vizzini ist ebenso fiktiv wie seine Romane. Doch die Begegnung der beiden als solche hat wirklich stattgefunden. Der Grund für Onkel Calòs Besuch war vermutlich der Umstand, dass er infolge des Handgranatenangriffs von 1944 eine Reihe von Prozessen am Hals hatte. Erst drei Tage zuvor hatte der Oberste Gerichtshof ihn für schuldig befunden. Doch das Gerichtsverfahren sollte sich noch eine Weile hinziehen, und Onkel Calò wusste, dass er so gut wie sicher sterben würde, ehe er ein Gefängnis von innen sah. Der wahre Grund, warum er Lo Schiavo aufsuchte, dürfte dem Bedürfnis entsprungen sein, sich bei ihm zu bedanken. Denn der gefeierte Richter und Autor war einer derjenigen gewesen, die dem Obersten Gericht die Beweise der Staatsanwaltschaft vorlegten. Der Verdacht liegt nahe, dass er dem Mafiaboss hinter den Kulissen behilflich war.
    Im heutigen Italien würde gegen

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