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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Jahre später auf der Liste bewährter Unternehmen, die der Stadtrat führte. Er durfte sich nur deshalb an der Ausschreibung beteiligen, weil der Geschäftsführer des Privatunternehmens, das in Palermo für den Busverkehr zuständig war, ihn empfohlen hatte. Besagter Geschäftsführer sollte später bei einigen lukrativen Immobiliengeschäften Vassallos Partner werden. Gleichzeitig bewilligte der
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Vassallo einen großzügigen Kredit. Seine Konkurrenten zogen aus unerfindlichen Gründen ihre Angebote zurück. Vassallo konnte die Geschäftsbedingungen mit dem Bürgermeister persönlich aushandeln – der später in einigen lukrativen Immobiliengeschäften ebenfalls als sein Partner fungieren sollte.
    Mitte der 1950 er Jahre begann der Betonkönig eine enge Zusammenarbeit mit den »jungen Türken«. Das Bauwesen gewann zusehends an Bedeutung für die Wirtschaft einer Stadt, deren produktive Basis nicht mit den prosperierenden Fabriken des »Industriedreiecks« (Mailand–Turin–Genua) konkurrieren konnte. Bereits in den 1960 er Jahren waren 33  Prozent der Arbeiter in Palermo direkt oder indirekt im Bauwesen beschäftigt. In Mailand, der wirtschaftlichen Hauptstadt des Landes, waren es nur zehn Prozent. Auch wenn die Arbeit auf den vielen Baustellen in Palermo zeitlich begrenzt und denkbar schlecht bezahlt war, gab es wenig Alternativen für gewöhnliche Palermitaner aus der Arbeiterklasse. Was wiederum die Bauarbeiter zu einem beachtlichen Wählerstimmenkapital machte, das dem Betonkönig zur Verfügung stand und ihm politische Freunde sicherte. So ein Freund war zum Beispiel Giovanni Gioia, Anführer der »jungen Türken« Palermos, der von etlichen lukrativen Immobiliengeschäften profitieren konnte, die Vassallo in die Wege geleitet hatte.
    Die Vorstellung eines »Interessenkonflikts« war in Palermos Bauboom nahezu bedeutungslos. Der Abteilungsleiter der Stadtverwaltung wurde zum obersten Projektplaner des Betonkönigs. Von seinen politischen Kontaktleuten erhielt der aufstrebende Vassallo die Befugnis, Planungsbeschränkungen systematisch zu ignorieren. Ein weiterer »junger Türke«, Salvo Lima, wurde mehrfach (erfolglos) angeklagt, zugunsten Vassallos gegen die Planungsbestimmungen verstoßen zu haben. Während der Plünderung Palermos spekulierten einige Journalisten über die Existenz einer Firma, die sie ironisch VA . LI . GIO ( VA ssallo – LI ma – GIO ia) nannten. Sie wurden erfolgreich verklagt. Ausgesprochen pedantisch verfügten die Richter, dass eine legal gegründete Firma dieses Namens nicht existiere.
    Mitte der sechziger Jahre näherte der Wohnungsmarkt sich allmählich einer Sättigungsgrenze. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betonkönig ganze Viertel dicht an dicht stehender Wohnsiedlungen aus dem Boden gestampft, in denen weder Schulen noch Gemeinschaftszentren oder Grünanlagen existierten. Erfinderisch ging er nun daran, unverkaufte Wohnungen und andere Gebäude zu pachten und als Schulen zu nutzen. Allein im Jahr 1969 bezog er von den örtlichen Behörden eine Miete von fast 700 000  Dollar für sechs Mittelschulen, zwei weiterführende Schulen, sechs Technikerschulen sowie das Schulamt. Die christdemokratische Presse pries ihn als Helden und Wohltäter. Im selben Jahr galt er als der reichste Mann Palermos.
    Dabei sollte man stets im Gedächtnis behalten, dass Don Ciccio Vassallo kein honoriger Unternehmer, sondern ein
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war, ein Geschäftemacher. Sein Wettbewerbsvorteil bestand nicht etwa aus intelligenter Planung und Investition, sondern aus Bestechung, nützlichen Freunden und natürlich der unausgesprochenen Drohung, die jede seiner Investitionen überschattete. Wie auf ein Stichwort gingen unbekannte Vandalen daran, auf jedem Grundstück, das als öffentliche Grünfläche ausgewiesen war, sämtliche Bäume zu fällen. Jede ehrliche Firma, der es irgendwie gelungen war, der Mafia einen Auftrag vor der Nase wegzuschnappen, musste mit ansehen, wie ihr Maschinenpark in Flammen aufging. Dynamit erwies sich als probates Mittel, Freigaben zum Abbruch zu beschleunigen.
    1957 , als die Plünderung Palermos ihren zerstörerischen Höhepunkt erlebte, fand in Tommaso Natale, dem Heimatdorf des Betonkönigs, ein Machtkampf der Mafia statt. Auch seine Familie war darin verwickelt. Im Juli 1961 wurde sein Schwager Salvatore Messina von einem Killer erschossen, der stundenlang in den Zweigen eines Olivenbaums gesessen und auf sein Opfer gelauert hatte. Ein weiterer Schwager,

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