Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
»Professor« zu beseitigen. Doch irgendjemand hatte offenbar geplaudert, denn der Killer wurde bald nach seiner Ankunft in Neapel von zwei Männern auf einem Motorrad erschossen.
Im Sommer 1980 versuchte es die Cosa Nostra mit einem anderen Ansatz. Nachdem es ihr nicht gelungen war, Zaza und Nuvoletta zum Angriff zu bewegen, überredete sie die beiden, eine Übereinkunft auszuhandeln. Doch der daraus resultierende Friede scheint fast ebenso halbherzig gewesen zu sein wie der Krieg, da der Zyklus der Strafexpeditionen nicht lange unterbrochen wurde. Am Ende sollte die Cosa Nostra mindestens drei Friedenskonferenzen finanzieren, die von vielen Vertretern der NCO und der NF besucht wurden. Trotz des Blutbads, das sie auf Sizilien anrichteten, war Riina in Begleitung seiner Leutnants bei zwei dieser Konferenzen persönlich anwesend. Doch es war alles vergeblich. Kaum hatten die Kämpfe in Kampanien angefangen, gab es kein Halten mehr.
Die Camorra sollte 1982 noch weitere 364 Menschen ermorden – fast eine Person täglich. Und damit bei all den Geschichten von Rache und Vergeltung die vielen unschuldigen Opfer nicht vergessen werden, lohnt es die Mühe, eine Frau zu erwähnen, die im Januar 1982 ebenfalls zu Tode kam: Annamaria Esposito, 33 und Mutter zweier Kinder, wurde hingerichtet, weil sie mit angesehen hatte, wie in ihrer Bar ein Camorrista ermordet wurde.
Ein Gruppenfoto der
Nuova-Famiglia
-Bosse, die gegen die
Nuova Camorra Organizzata
um die Gebietshoheit kämpften, erzählt uns eine Menge über Gegenwart und Zukunft des organisierten Verbrechens in Kampanien. Die Geschichte der Camorra, die bis ins 21 . Jahrhundert reicht, hat ihre Wurzeln in der
Nuova Famiglia
.
Der Camorrakrieg der frühen 1980 er Jahre brachte Pupetta Maresca wieder landesweit in die Schlagzeilen. 1955 hatte sie Berühmtheit erlangt, indem sie den Mörder ihres Mannes getötet hatte. Pupettas Name hatte Gewicht in der kampanischen Unterwelt. 1970 begann sie eine dauerhafte Beziehung mit einem bedeutenden Drogendealer, Umberto Ammaturo. Mit ihrem neuen Beau konnte Pupetta ihren Ruhm mit einem Hauch von Luxus unterstreichen und wurde so zu einer
femmena ’e conseguenza
(einer Frau von Format), einer First Lady der Unterwelt. Die Polizei glaubte, dass »viele der von Umberto Ammaturo verübten Verbrechen in Wirklichkeit in ihrem Kopf Gestalt annahmen«.
Pupettas Gemahl, Umberto Ammaturo, war eines der aggressivsten Mitglieder der
Nuova Famiglia
. Kurz vor Weihnachten 1981 platzierte er vor Cutolos Palazzo in Ottaviano eine Bombe, als Provokation. Wie er später gestand, steckte er auch hinter dem Mord an dem Gerichtspsychiater Aldo Semerari, dessen geköpfte Leiche am ersten April 1982 gefunden wurde, ebenfalls in der Nähe von Cutolos Palast. Der »Professor« Raffaele Cutolo forderte als Voraussetzung für ein etwaiges Friedensabkommen mit der NF Ammaturos Kopf.
Im Februar 1982 , während dieser Auseinandersetzung zwischen Ammaturo und Cutolo, wurde Pupetta Marescas Bruder Ciro verhaftet und dem Drachen NCO regelrecht in den Rachen geworfen: in das Poggioreale-Gefängnis. Obwohl er eine Einzelzelle hatte, war sein Leben offensichtlich und unmittelbar gefährdet. Pupettas Reaktion bewies, dass sie nichts von ihrem Talent für medienwirksame Auftritte eingebüßt hatte. Am 13 . Februar 1982 berief sie eine Pressekonferenz ein, und zwar in der Zentrale der neapolitanischen Nachrichtenagentur. Sie war allein, und ihr Auftritt bühnenreif: Sie kam fast eine Stunde zu spät, trug Schmuck, der im Blitzlicht der Kameras funkelte, einen schwarzen Lederrock unter dem schwarzen Pelzmantel, ein Halsband aus Leopardenfell und eine tief ausgeschnittene weiße Bluse. Kaum hatte sie den Raum betreten, fing sie auch schon mit den Journalisten Streit an, die sie zu ihrem Schmuck befragten (»Den möchte ich sehen, der die Stirn hätte, mich zu überfallen«), und rief sie dann zur Ordnung: »Ich bitte um Ruhe, meine Herren! Wäre Cutolo statt meiner hier, würdet ihr nicht einen solchen Lärm veranstalten. Natürlich, weil ihr Schiss habt. Er hat euch die Mäuler mit Blei gestopft.«
Der »Professor« war das Ziel ihrer ungezügelten Wut: »Ein Bastard ist das«, »ein Geisteskranker«, »er will die ganze Stadt beherrschen«. Als Reporter Pupetta fragten, ob sie im Auftrag der
Nuova Famiglia
spreche, entgegnete sie: »Ich gehöre keiner Gruppierung an. Aber wenn einige Leute so denken wie ich – und ihr meint, das sei die
Nuova
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