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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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viele davon Splitter der NCO und der NF .
    Ein bemerkenswertes Opfer der Umwälzungen innerhalb der Camorra war der Verbündete Alfieris, Antonio Bardellino, dem es nicht lange vergönnt war, die Früchte des Siegs über die Nuvolettas zu genießen. In Rio de Janeiro zahlte er 1988 den Preis für den Leichtsinn, die Verwaltung seines Territoriums einem anderen überlassen zu haben, als einer seiner Handlanger ihn mit einem Hammer totschlug. Seine Nachfolger – die jungen »Israelis«, die im Krieg gegen den »Professor« die Sturmspitze der
Nuova Famiglia
gewesen waren – hatten im Gegensatz zu ihrem Boss keine Lust mehr auf die Rituale im Stil der Cosa Nostra. Damit war die letzte Spur des sizilianischen Einflusses auf die kampanische Unterwelt verschwunden. Von nun an musste die Camorra auf eigenen Beinen stehen.
     
    Die Zersplitterung einiger Camorraclans Mitte der 1980 er Jahre bedeutete nicht, dass die Camorra insgesamt an Macht eingebüßt hatte. Ganz im Gegenteil. Cutolos kultisch verbrämte
Nuova Camorra Organizzata
und die reizbare
Nuova Famiglia
, die ihr gegenüberstand, hatten sicherlich Tausende von Soldaten und beherrschten weite Flächen des kampanischen Territoriums. Doch weil sie nur zu Beginn des Baubooms nach dem Erdbeben gefragt waren, vermochten sie die Wirtschaft und das politische System nie so tief zu durchdringen wie die territorial klar umrissenen Clans, die ihnen folgten.
    Die neuen Camorragruppen Mitte und Ende der 1980 er Jahre profitierten auch von einer neuen Phase im Gemisch aus wirtschaftlichem Wachstum und politischem Versagen, das die jüngste italienische Geschichte prägte. Die italienische Wirtschaft erlebte Anfang der achtziger Jahre wieder eine Wachstumsphase. Die Inflation ging zurück, und zwischen 1982 und 1987 boomten die Aktienkurse. Die große Erfolgsgeschichte des Jahrzehnts betraf den Nordosten und die Mitte des Landes, wo kleine, oft familienbetriebene Unternehmen spezielle Erzeugnisse für den Export herstellten: Luxusgüter, Maschinen, die höchsten Anforderungen entsprachen, Brillen, Skischuhe und so weiter. 1987 konnte der Finanzminister bereits vermelden, dass Italien Großbritannien überholt hatte und nun über die fünftstärkste Wirtschaft der Welt verfügte. In Italien begann ein Zeitalter gnadenlosen Konsums, befeuert durch eine gewaltige Zunahme an Werbung auf neuen privaten Fernsehkanälen, die mit einem üppigen Angebot an Seifenopern, Gameshows, Hollywoodfilmen, Sportsendungen und strippenden Hausfrauen aufwarteten.
    Unter der glitzernden Fassade stand jedoch nicht alles zum Besten in der italienischen Wirtschaft. Steuerhinterziehung war weit verbreitet. Der Süden kämpfte nach wie vor mit seinen chronischen Problemen: ineffiziente Verwaltung, mangelnde Qualifikation und Bildung und fehlende Investitionen. Überall gab es heruntergewirtschaftete, konzeptlose, unbesteuerte Unternehmen. Süditaliener kauften tüchtig Levis-Jeans und Timberland-Schuhe im Konsumboom. Doch das Geld, das sie ausgaben, kam eher aus der Staatskasse als von einer produktiven Wirtschaft. Nicht zufällig wuchs die allgemeine Verschuldung in Italien in den 1980 er Jahren, obwohl der Süden keineswegs die einzige Region war, die für die ungehemmten Kreditaufnahmen verantwortlich war.
    Die Hauptschuldigen waren die üblichen Verdächtigen: der Staat und das politische System, das ihn verwalten sollte. Die alten Laster – Selbstbedienungsmentalität, Vetternwirtschaft und Klientelismus – wurden schlimmer in den 1980 er Jahren, nicht zuletzt weil es weniger Hemmungen gab. Die Kommunisten hatten bei den Wahlen 1976 ihr bestes Ergebnis erzielt. Danach waren ihre Prozentzahlen stetig gesunken, bis sie durch das letzte Abschwellen der Arbeitskampfwelle zu Beginn der achtziger Jahre auf Grund liefen. Jetzt konnten die Kommunisten nur noch vom Spielfeldrand aus zusehen, und ihre Anführer registrierten verblüfft die neue Situation.
    Das Jahrzehnt wurde von einer Fünfparteien-Koalition regiert, mit Christdemokraten und Sozialisten im Zentrum, die sich die meiste Zeit um die Futtertröge zankten. Endloses Gefeilsche und Gerangel um Positionen und Einfluss raubten der Exekutive ihre Fähigkeit, Reformen zu beschließen, die Zukunft zu planen oder die öffentlichen Ausgaben einzudämmen. Die Ausweitung der Demokratie auf Länderebene (Italiens Länderregierungen begannen 1970 ) verbreitete dieselben Methoden auch in untere Schichten der Gesellschaft. Die Parteien, und ihre Lager,

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