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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Palermo. Während der Polizeichef Albanese untergetaucht war, wurde er in Rom von keinem Geringeren als dem Premierminister empfangen, der ihm den Schutz der Regierung zusicherte. Es überrascht nicht, dass in Sizilien ein Aufschrei durch das Land ging, als Albanese einige Monate später aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. Im Juni 1875 jedoch kamen weitere skandalöse Details über den Polizeichef ans Licht. Sein bevorzugter Informant führte eine Bande Krimineller an, die eine Serie von Diebstählen begangen hatten: Sie waren in Adelspaläste, in die Büroräume des Berufungsgerichts, bei einem Pfandleiher und sogar im Stadtmuseum eingebrochen. Die Beute fand sich schließlich im Haus eines Polizisten wieder, der in Albaneses Büro beschäftigt war.
    Rudinì war zutiefst in den Skandal verwickelt, da er Albanese überhaupt erst ins Amt gebracht hatte. Rudinì war außerdem Innenminister gewesen und in dieser Funktion verantwortlich für die Bewahrung von Recht und Ordnung, als Albanese die Mafia beauftragt hatte, in Monreale Leute aus dem Weg zu räumen. (Auch Albanese hatte mit dem Teufel paktiert, um der Kriminalität Herr zu werden.)
    Rudinì hatte zudem politische Gründe, um wieder zu vergessen, was er bereits über die Mafia in Erfahrung gebracht hatte. Als Parlamentsabgeordneter einer sizilianischen Wählerschaft gehörte er zu einer kleinen Minderheit rechter Politiker, die nach den letzten Wahlen nach Rom entsandt worden waren. Die Rechte hatte Sizilien zunächst gezwungen, die Mafia loszuwerden, nur um dann selbst mit ihr zu paktieren, zur Unterstützung ihrer repressiven Maßnahmen. Jetzt zahlte sie den politischen Preis für ihre Heuchelei und Doppelzüngigkeit. Rudinì versuchte verzweifelt, sich dem Stimmungsumschwung anzupassen, doch seine Bemühungen erwiesen sich als fruchtlos. Acht Tage nach seiner Aussage, am 18 . März 1876 , zerbrach die Koalitionsregierung der Rechten über der Frage einer Verstaatlichung der Eisenbahn, wonach zum ersten Mal die Linke ins Parlament einzog. Rudinì dagegen war eine lange Zeit in der politischen Bedeutungslosigkeit beschieden.
    Wie die Rechte war auch die Linke eine sehr lose Koalition: Was sie verband, war die Absicht, die Demokratie auszuweiten und mehr Geld in die unterentwickelte Infrastruktur des Landes zu investieren. Die Linke war zudem eher südlich orientiert als die Rechte, vor allem mehr an Sizilien interessiert. Mit dem Einzug der Linken erhielten sizilianische Politiker einen Zugang zur Macht, und die Autorität des italienischen Staates fand endlich auch auf der Insel Zuspruch. Doch unter den Politikern, die Sizilien jetzt in einer linksdominierten Kammer vertraten, waren auch die »Briganten«, von denen Rudinì im Jahre 1867 gesprochen hatte – Großgrundbesitzer, die, willentlich oder nicht, mit den Mafiosi handelseins geworden waren, damit diese ihr Land schützten und verwalteten. Die Mafia konnte ihren Auftraggebern jetzt noch weitere Dienste anbieten: die Einflussnahme auf die Wahlen zum Beispiel. Sobald die Linke an der Macht war, erhielten die politischen Sponsoren der Mafia Zugriff auf die Zentralregierung.
    Nach den Bourbonen die Rechte. Nach der Rechten die Linke. Ob zu Revolutionszeiten oder im Frieden, auf Sizilien kam keine Regierung an den Mafiosi vorbei.
    Eine Sekte mit Eigenleben: Die Mafia und ihre Rituale
    Am 29 . Februar 1876 , elf Tage, bevor der Marchese di Rudinì seine abstrusen Theorien über die »gutartige Mafia« äußerte, hatte die italienische Regierung das wichtigste Beweisstück in der gesamten Geschichte des organisierten Verbrechens auf Sizilien entdeckt. Der Polizeichef von Palermo schrieb an den Innenminister, um ihm zum ersten Mal das Initiationsritual zu schildern, das Mafiosi in einer Ortschaft namens Uditore in der Conca d’Oro durchführten.
    Uditore war eine Siedlung am Stadtrand von Palermo, eine
borgata
mit nur 700 bis 800  Seelen, doch 1874 hatten dort nicht weniger als 34  Morde stattgefunden, weil rivalisierende Mafiafamilien sich gegenseitig das Recht streitig machten, den lukrativen »Schutz« der Obstgärten zu übernehmen. Der Boss vor Ort war Don Antonio Giammona, vom Polizeichef als »gänzlich ungebildet« beschrieben, »jedoch mit natürlicher Schläue ausgestattet«. Ein anderer Zeuge beschrieb ihn als »schweigsam, aufgeblasen und misstrauisch«. Giammona hielt sich sogar für einen Dichter und schrieb Verse in sizilianischem Dialekt.
    Er lasse alle seine künftigen Mitglieder

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