Omka: Roman (German Edition)
du wirst die ewige Seligkeit haben.«
»Trottel«, dachte Omka. Aber sie erzählte.
»Meine Mutter Regina war noch sehr jung, erst siebzehn, als sie meinen Vater kennenlernte. Sie hat sich sofort in ihn verliebt, wusste aber, dass er ein stadtbekannter Don Juan war und dass er zeitweise mehr Geliebte hatte als Zehen oder Zähne. Sie hat mir erzählt, dass genau das sie so furchtbar angezogen hat. Er war nicht greifbar, wie ein Fisch, dabei wusste er aber, dass seine ständigen Abenteuer falsch waren, und war kein schlechter Kerl. Aber er war unglücklich, wenn er länger an demselben Fleck oder bei derselben Frau bleiben musste. Meine Mutter sagte, dass sie sich wegen ihrer Verliebtheit auf ihn eingelassen hatte, obwohl sie wusste, dass daraus nie mehr werden würde als eine kurze Liaison. Und sie war ja noch so jung.« »Ja, aber … dann ist es doch gut ausgegangen«, sagte er. »Ich meine, sie sind doch jetzt schon lange verheiratet und haben dich.«
»Gut ausgehen kann man das nicht nennen«, sagte sie. »Meine Mutter wurde schwanger, gerade einmal volljährig, hat es meinem Vater gesagt, der aus allen Wolken gefallen ist und sich daraufhin versteckt hat. Meine Mutter wusste erst nicht, was sie machen sollte, und hat versucht, den Bauch zu verstecken, solange es eben ging. Sie hat eine kleine Tasche zusammengepackt und ist von zu Hause weggegangen, hat auch niemandem etwas erzählt, alle dachten, sie wäre ausgerissen, und man hat sie sogar mit der Polizei gesucht.
Meine Mutter wollte unbedingt nach Russland, was sie dahingetrieben hat, weiß niemand, wahrscheinlich wollte sie einfach nur in die Fremde. In Nizhnyaya Omka hat sie mich in ihrem Bauch treten gespürt und beschlossen, dass alles gut werden würde. Es war ihr aber klar, dass sie zurückmusste, weil sie weder ein Auskommen hatte noch ein Dach über dem Kopf. Sie hatte große Angst, nach Hause zu gehen. Ich weiß nicht genau, wie dann alles gekommen ist, aber als ich geboren wurde, waren meine Eltern verheiratet. Später habe ich mir dann an zwei Fingern zusammengerechnet, dass mein Vater meine Mutter geheiratet hat, weil sie jung war, hübsch und aus einer wohlhabenden Familie. Er war zehn Jahre älter als sie, hatte zwar kein Geld, war aber der Vater ihres ungeborenen Kindes und auch nicht mehr zu jung, um zu heiraten. Bis zur Hochzeit wollte sie mich verstecken, obwohl ihr Bauch immer dicker wurde, sie hat sich geschämt, und die Leute im Dorf haben hinter vorgehaltener Hand schlecht über sie gesprochen. Als sie dann mit meinem Vater verheiratet war, war zwar die ganze Aufregung vorbei, aber dann begann die Katastrophe erst wirklich. Ich glaube, meine Mutter hat meinen Vater unter Druck gesetzt, sie zu heiraten, obwohl sie ihn gar nicht heiraten wollte. Das klingt komisch, ich weiß, aber ich glaube es wirklich. Ich bin der Grund dafür, dass meine Eltern bis heute überhaupt irgendetwas miteinander zu tun haben.«
Josef bemerkte, dass etwas in diesem Satz mitschwang, und es behagte ihm nicht.
»Später erzählte mir die ehemalige Nachbarin meiner Eltern, eine alte Witwe, die ich dafür immer bewundert habe, dass ich eigentlich zwei Halbgeschwister hätte, die aber beide von den Frauen weggemacht wurden, weil mein Vater immerhin ein verheirateter Mann war. Meine Mutter ist offenbar manchmal zu ihr gelaufen, wenn sie mit jemandem reden wollte. Mein Vater hat sich immer um seine Familie gekümmert, immer Geld herangeschafft und brachte meiner Mutter manchmal Schmuck als Geschenk, einfach so. Einmal, nachdem mein Vater drei Tage nicht zu Hause war, hat sie eine Halskette aus roten Korallen bekommen, die sie sehr mochte. Sie hat sie mir geschenkt, als ich geheiratet habe, obwohl es ihr furchtbar leidgetan hat und sie sie eigentlich nicht hergeben wollte, glaube ich.«
»Ja, aber«, sagte er, »es hat sie doch niemand gezwungen …«
»Nein«, sagte Omka, »aber trotzdem …«
»Na ja«, sagte Josef unsicher, »aber sie hat deinen Vater wirklich geliebt.« »Nein«, sagte Omka, »sie war anfangs in ihn verliebt, weil alle in ihn verliebt waren und jede ihn haben wollte. Sie hat ihn dann bekommen, und die bösen Blicke der ganzen Frauen am Tag ihrer Hochzeit haben sie bestärkt. Ich hätte so gerne einmal mit ihr darüber geredet, nur geredet, ohne irgendeinen Vorwurf, ich habe ihr auch gar nichts vorzuwerfen, ich verstehe das alles. Aber sie hat einfach Todesangst davor, dass ihr Idyll zusammenbricht, und beißt die Zähne zusammen wie einer
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