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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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seiner unglaublichen Fähigkeit, auf der Blockflöte die Schlacht von Sedan nachzuspielen, von Grundschulmusiklehrern in ganz Deutschland verehrt. Viele sehen in ihm einen frühen Vorläufer Karlheinz Stockhausens.«
    Wieder Gekicher.
    Klaus sagte im Vorbeigehen:
    »Merkst du das, wie der alles aufs Korn nimmt? Diesen ganzen Personenquatsch und so? Super! Find ich echt super!«
    Wieder stand Martin auf, ging backbord an die Reling und guckte nach unten. Das Gleiche auf der Steuerbordseite. Dann stellte er sich wieder in die Mitte und guckte in den Himmel. Was macht er denn da?
    Wir legten vor dem Haus der Kulturen der Welt an. Fünf Minuten Pause. Martin stand auf und ging an mir vorbei. Ich sah ihm hinterher. Er ging die Treppe hinunter, öffnete die Toilettentür, klappte den Klodeckel hoch und sah in die Schüssel. Er schrieb etwas in sein Notizbuch, klappte wieder zu und kam wieder die Treppe hoch. Ich hielt ihn fest.
    »Martin, gehts dir gut?«
    »Hä?«
    »Ist alles o.k. ?«
    »Nein. Nein, überhaupt nicht«, sagte er sehr aufgerieben. »Tilman, du musst mir helfen.«
    »Äh … ja? Wobei?«
    »Die suchen mich.«
    Scheiße! Das war ernster, als ich gedacht hatte.
    »Wer … äh … was … Wer sucht dich weswegen?«
    »Ich weiß was, was auf gar keinen Fall rauskommen darf. Und die wissen, dass ich das weiß. Wenn das rauskommt, dann ist aber die Kacke am Dampfen, dann bricht alles zusammen. Die ganze westliche Welt bricht dann zusammen. Dann werden wir in Zukunft in Erdlöchern hausen. Die Amis sind dran schuld. Die Amis und die Bulgaren.«
    Die Bulgaren? Das hätte ja wirklich niemand gedacht.
    »Martin, erzähl mir doch keinen Unsinn! Was soll denn das sein?«
    »Das kann ich dir doch nicht sagen! Dann bist du auch dran, willst du das?«
    »Jetzt mach aber mal einen Punkt.«
    »Doch, das ist so. Glaubs mir.«
    »Wer denn überhaupt? Wer sind denn ›die‹?«
    Martin sah mich von der Seite an:
    »Du solltest nicht nachfragen. Du solltest das besser nicht wissen.«
    »Doch. Sag doch mal. Vielleicht kann ich dir ja helfen, wenn ich weiß, wer die sind.«
    Martin räusperte sich und sagte ganz leise:
    »Stasi.«
    »Was?«
    »Stasi, Mann.«
    »Die Stasi gibt es doch überhaupt nicht mehr«, sagte ich.
    »Psssst!«, machte Martin.
    »Was?«
    »Nicht so laut! Die haben überall Wanzen.«
    »Martin, die Stasi ist mit der DDR untergegangen.«
    »Siehst du«, bellte er wieder ganz aufgeregt. »Dich haben sie schon. Du glaubst das, was in den Zeitungen steht. Dich haben sie schon erwischt mit ihrer Manipulation. Aber mich nicht. Ich hab die durchschaut. Ich muss nach Venezuela und den Chavez warnen. Der gibt mir Schutz. Ende des Monats hab ich das Geld zusammen für den Flug und die falschen Papiere, und dann hau ich ab.«
    »Wieso denn den Chavez?«
    »Oder den Morales, ist egal. Einer von denen gibt mir Schutz. Die lassen sich nicht unterkriegen von diesen ganzen Schweinen. Die nicht.«
    »Martin, ich glaube, du hast dich in den letzten Wochen etwas überanstrengt. Du bist fast jeden Tag auf dem Schiff, du schläfst kaum, und dann auch noch diese ständige Kifferei. Das ist nicht gesund. Du solltest dich mal für ein paar Wochen ausruhen.«
    Jetzt wurde er sauer:
    »Nein, Mann! Die suchen mich, raffst du das nicht? Ich hab Beweise. Jeden Tag steht dasselbe Auto vor meiner Tür. Heißt das etwa nichts? In meinem Haus sehe ich immer dieselben Leute. Die wurden auf mich angesetzt, Alter. In dem Laden, wo ich früher immer Kippen gekauft habe, steht immer dieselbe Frau hinterm Tresen. Das kann doch kein Zufall sein.«
    »Martin! Das Auto steht vielleicht da, weil es jemandem gehört, der da wohnt. Und dieselben Leute in deinem Haus wohnen doch wohl auch da. Und die Frau in dem Laden arbeitet einfach da. Natürlich ist das immer dieselbe.«
    »Aber doch nicht jeden Tag!«
    »Natürlich jeden Tag. Warum denn nicht?«
    Aus dem Kanzlergarten kam das Geräusch eines startenden Hubschraubers. Martin ging einen Schritt zurück:
    »Du gehörst zu denen.«
    »Was?«
    »Du bist auch einer von denen. Scheiße, Mann, und ich Idiot merke das die ganze Zeit nicht.«
    »Was erzählst du denn da, Alter? Ich bin doch nicht –«
    »Stasischwein!«, schrie er.
    »Martin, jetzt komm mal runter.« Ich machte wieder einen Schritt auf ihn zu. Die Passagiere, die neben uns saßen, rückten zusammen. Hinter den Mauern des Kanzleramtes stieg der Hubschrauber auf und machte Wind. Bäume schüttelten sich, und Staub wirbelte auf. Ein paar Gäste

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