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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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Kneipengesellschaft mit den Worten verabschiedet: »Ich muss jetzt gehen, ich treff mich noch mit ’ner Bekannten.« Und jeder am Tisch wusste: Aha, der geht jetzt zu seiner Fickbeziehung. Mit Bekannten trifft man sich nicht, man trifft sie.

Can you help me occupy my brain?
    D ie freien Tage waren nötig und gut. Ich hatte mal wieder ein paar Freunde gesehen, die langsam alle aus dem Urlaub wieder da waren, und hatte noch ein letztes Mal Sommer gespielt: Obwohl es schon Ende September war, war es noch so warm, dass wir noch einmal im Park grillen konnten. Allerdings wurde es schon so früh dunkel, dass wir mit unseren Fahrradlampen um den Grill herumstanden und ins Fleisch leuchteten, um sehen zu können, ob es schon gar war.
    Jetzt saß ich beim späten Frühstück in der Küche und freute mich auf einen sonnigen Tag. Die Beinahe-Schlägerei mit Martin hing mir allerdings noch hinterher. Ich hatte noch niemandem davon erzählt, weil ich mich nicht dem Verdacht aussetzen wollte, ich verkehrte in einem Milieu, in dem tätliche Auseinandersetzungen in Erotikbetrieben ein gewöhnlicher Bestandteil der Freizeitgestaltung sind:
    »Neulich, Alter: ich im Swingerclub. Mein Kollege auch da. Gabs fast Schlägerei.«
    Keine Geschichte, mit der man unbedingt hausieren gehen muss.
    Anna kam in die Küche geschlurft, sagte kurz »Morgen!«, machte sich einen Tee und eine Schüssel Müsli zurecht und verschwand mit beidem wieder in ihrem Zimmer. Schönen Tach auch! Na ja. Wenn die Leute noch nicht richtig wach sind, soll man sie nicht wachpeitschen. Dass meine morgendliche Kommunikationsfreude nicht jedem erträglich war, hatte ich gelernt, als eine Mitbewohnerin mir am Frühstückstisch einmal wörtlich sagte: »Würde es dir was ausmachen, mal für fünf Minuten den Mund zu halten?«
    Im Dienstplan hatte ich gesehen, dass Martin an diesem Tag Schicht hatte. So wie fast jeden Tag davor und danach auch. Entweder verjubelte er so viel Geld in der Etage, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als jeden Tag auf dem Schiff zu stehen, oder Hans war mittlerweile so knapp mit Stadtbilderklärern, dass er einige Leute Sechs-Tage-Wochen machen ließ.
    Ich fuhr nach Mitte und war gegen zwölf an der Anlegestelle. Martin stand am Steg, sah sich jeden Gast an und murmelte zu jedem ein mürrisches »Grrn Trrg!«. In der linken Hand hielt er ein kleines Notizbuch, in der rechten einen am Ende angekauten Bleistiftstummel, mit dem er in sehr kleiner Schrift in das Notizbuch kritzelte.
    »Hey Martin!«, sprach ich ihn an.
    Er blickte mit großen Augen auf.
    »Ach du! Hey«, sagte er, als sei er etwas enttäuscht, dass ich nicht der Weihnachtsmann war, blickte wieder nach unten und kritzelte weiter in seinem Notizbuch herum.
    »Ich dachte, ich fahre heute mal mit, weil mir alle erzählen, wie toll du das machst. Da dachte ich, vielleicht kann ich da ja noch was lernen.«
    »Hm«, sagte er und wieder »Grrn Trrg« zu einem vorbeigehenden Gast.
    »Außerdem wollte ich mit dir nochmal über neulich reden.«
    »Was neulich?«, sagte er und blickte auf.
    »Na ja, neulich in der Etage. Das war ja schon ein bisschen komisch, oder?«
    »Findest du?«, sagte er und sah mich fest an.
    »Ja, das finde ich.«
    Martin hielt mich fest fixiert, sagte aber nichts.
    »Na ja, wir können ja gleich nochmal drüber reden, wenn du ein bisschen Luft hast«, sagte ich und ging in den Personalraum im Bug. Dort saß Klaus und las den Berliner Kurier.
    »Hallo, Klaus. Na, alles gut?«
    »Die Schweine wollen doch schon wieder die Zigaretten teurer machen. Die werden auch immer dreister.«
    »Und wie geht es dir sonst so?«
    »Das ist doch mittlerweile einmal im Jahr so, dass die Kippen teurer werden. Ich hab langsam den Eindruck, wir Raucher sind die Melkkühe der Nation.«
    »Dann musst du dich aber mit den Autofahrern und den Familien streiten. Die beanspruchen den Titel auch für sich.«
    »Bringt doch nüscht.«
    »Sag mal, was macht denn Martin auf dich für einen Eindruck?«
    »Martin ist ein Quatscher. Macht seine Arbeit. Willst du irgendwas Bestimmtes wissen?«
    »Na ja, ich hatte neulich eine seltsame Begegnung mit ihm. Ich hab ihn im Swingerclub getroffen, da wollte er mir fast aufs Maul hauen. Wegen nix.«
    »Du hast ihn wo getroffen?«
    »Ach … lange Geschichte. Aber der war sehr seltsam drauf. Ich glaube, dem geht es nicht so gut.«
    »Ach, der ist vielleicht nur ein bisschen überarbeitet.«
    »Hast du gesehen, wie der am Eingang steht? Das sieht aus,

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