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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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doch nicht der von Miss Wolfe. Gut? Nicht gut? Ondragon scrollte die Datei zum Anfang zurück und arbeitete sie noch einmal durch, nur um sicherzugehen, dass er nichts übersehen hatte. Danach schaltete er das Handy ab und starrte eine Weile an die Wand. Es war unfassbar! Aber irgendwie hätte er auch früher darauf kommen können.

    Später beim Frühstück blickte er mit ganz neuen Augen auf seine Mitinsassen und ergänzte mit vorgetäuschter Ruhe die Einträge in seinem Notizblock. Doch hinter seiner gelassenen Fassade raste der dreifache Espresso durch seine Venen und hatte die Zentrifuge längst auf Höchsttouren gebracht. Bis eben noch unbekannte Puzzleteilchen fielen wie von selbst auf ihren Platz und ergaben langsam ein Bild. Ein Bild, das Ondragon noch immer einen Schauer aus Faszination und Ekel über den Rücken jagte. Rudees Worte kamen ihm in den Sinn. Tigerbalm - eine Topidee! Unwillkürlich musste er schmunzeln. Rudee war eben ein Pragmatiker. Der Thai dachte, dass Menschenfleisch in einer Marinade aus ätherischen Ölen vielleicht nicht ganz so schmackhaft sein könnte. Menschenfleisch. Was für ein perverser Wahnsinn!
    Ondragon sah kopfschüttelnd auf seine Aufzeichnungen, als könnte er es immer noch nicht glauben. Aber warum sollten die geheimen Patientenakten von Dr. Arthur lügen? Sein Blick suchte den Chirurgen Michail Petrowsk, der heute einmal ohne den Tennisstar Viktory am Tisch saß. Er aß seelenruhig sein Omelette. Ondragon wurde schlecht. In der Akte von Petrowsk war unter anderem vermerkt:

    Starke kannibalistische Ausprägung, hat seinen Drang jedoch weitgehend unter Kontrolle. K. nicht sexuell bedingt, d.h. M.P. hat keine sexuellen Fantasien vor, während oder nach dem Verzehr. Kompensiert sein Verlangen nach Menschenfleisch durch das Essen von Organen/ Körperteilen, die nach Transplantationen oder anders gelagerten Operationen entsorgt werden. Bereitet sie zu Hause zu wie eine ganz normale Speise. M.P. sagt, er tue das, weil er den Nervenkitzel beim Stehlen der Organe liebe und Menschenfleisch als Delikatesse ansehe. Gehört einem kleinen Ring von Kannibalen in Kalifornien an, die er mit Organen beliefert. Lebt zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Kindern, die unwissentlich Mitkonsumenten sind.

    Ondragon verzog angewidert das Gesicht. Das war wirklich scheußlich! Und außerdem strafbar. Oder etwa nicht? Wohin kamen die entnommenen Organe nach einer Operation, und wer kontrollierte diese Entsorgungskette? Irgendwo musste es einen Mitwisser geben. Zumindest saß Dr. Petrowsk als Chirurg direkt an der Quelle, um seinem ungewöhnlichen G enuss frönen zu können. Ondragons Magen machte einen gefährlichen Schlenker, so als säße er in einer Achterbahn. Er hob die Hand und winkte Carlos heran. Er brauchte mehr Kaffee!
    Nachdem er eine neue Tasse mit dampfendem Espresso erhalten hatte, zog es seine Aufmerksamkeit wieder magisch in seinen Notizblock. Petrowsk war unter den ganzen Vollkaputten noch der Harmloseste. Da war unter anderem der Latinoschnulzensänger Enrique Souza. Der biss seine Freundinnen mit Vorliebe in den Hals, weil er unbändige Lust verspürte, ihr Blut zu trinken. Natürlich hielten seine Beziehungen deshalb nicht besonders lange. Eine seiner ehemaligen Partnerinnen hatte ihn 2008 sogar wegen Körperverletzung angezeigt. Er hatte sie so stark gebissen, dass sie tatsächlich blutete. Klarer Fall von Vampirismus, der eine Variante des Kannibalismus war, so lautete es in Souzas Akte. Außerdem war seine Neigung extrem sexuell geprägt. Er tendierte zu Gewalt und überschüttete sich und seine Partnerinnen beim Geschlechtsverkehr gerne eimerweise mit Kunstblut. Wohl auch ein Grund für die Kürze seiner Beziehungen. Sexuell bedingt hieß das aber auch, dass Souza eine tickende Zeitbombe war. Keiner wusste, was passieren würde, wenn er einmal nicht das bekam, wonach es ihn gelüstete. Immerhin schien es dem Knaben aber aufgefallen zu sein, dass er nicht ganz normal war und hatte sich in die Therapie bei Dr. Arthur begeben, der, so ging es Ondragon auf, mit der CC Lodge ein weltweit einzigartiges Asyl für Menschen mit dem abnormen Verlangen nach Menschenfleisch geschaffen hatte. Er war der einzige Psychotherapeut, der seinen Patienten offenbar versprach, ihre kriminellen Machenschaften nicht an die Polizei zu melden. Wahrscheinlich fand man Dr. Arthurs Adresse auch nur auf einschlägigen Internetseiten, oder sie sprach sich in diesem Milieu einfach herum, auf jeden

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