Ondragon - Menschenhunger
kunstvollen Geflecht aus weißen und roten Stachelschweinborsten an ein Lederband geknüpft, das man sich um den Hals hängen konnte. Unheilvoll begann es, in seinem Nacken zu prickeln, und mit der Hand an der Waffe schnellte er herum. Doch da war nichts. Vorsichtig bewegte er sich durch das Zimmer und überprüfte das Innere des Kleiderschrankes und des Bades, aber niemand versteckte sich dort, und sonst gab es auch keine weitere Möglichkeit, sich zu verbergen. Abrupt blieb er stehen. Unter dem Bett!
Wie eine Katze ließ er sich auf alle viere fallen und zielte mit der Pistole in das Dunkel unter dem Bett.
Auch nichts. Langsam kam er sich blöd vor. Noch einmal kontrollierte er den Balkon und den Flur vor der Zimmertür. Nichts.
Mit spitzen Fingern verfrachtete er den Federfetisch vom Bett auf den Nachttisch. Dann drehte er das Kissen um und legte sich wieder hin, die Pistole in der Ritze zwischen den Matratzen versteckt. Seltsamerweise schlief er sofort ein.
Am nächsten Morgen untersuchte er noch einmal gründlich die Zimmer- und die Balkontür und kam zu dem Schluss, dass der Eindringling von letzter Nacht entweder einen Schlüssel oder einen Dietrich gehabt haben musste, denn es waren keine Einbruchsspuren an den Schlössern zu sehen. Wahrscheinlich hatte der Kerl sich im Bad versteckt, als er aufgewacht war, hatte dann den Zettel an der Tür positioniert und war danach zum Balkon raus, während er mit dem Rücken zum Bett gestanden und den Zettel gelesen hatte. Und das alles verdammt lautlos! Ondragon dachte nach. Wer konnte dafür in Frage kommen? Allein die Cleverness, den Zettel als Ablenkung zu benutzen, schloss Pete mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Der Hillbilly war zu unbeholfen. Sicher, hier vom Balkon zu klettern, war nicht die große Kunst bei einem Gebäude, das aus Holzstämmen bestand, die man wie eine Leiter benutzen konnte. Das brachte auch jemand ohne viel Kraftaufwand und Geschicklichkeit zustande.
Ondragon dachte weiter. War es Oliver Orchid gewesen? Hatte der Mann aus Zimmer 20 gemerkt, dass er ihm nachgestellt hatte, und wollte ihn nun einschüchtern, damit er es in Zukunft sein ließ? Hatte Orchid Angst, man könnte etwas über ihn herausfinden, das ihn in Schwierigkeit brächte? Etwas, das mit der vergrabenen Tüte und dem Arm darin zu tun hatte? Ondragon besah sich den indianischen Federanhänger, und ein ganz anderer Gedanke materialisierte sich in seinem Hinterkopf. Kateri? Es war ein seltsamer Gedanke, aber warum nicht? Nur welchen Grund hätte Miss Wolfe für ein solches Unterfangen? Sie wusste doch gar nicht, dass er Nachforschungen angestellt hatte. Außerdem war dabei bisher nicht viel herausgekommen. Einer plötzlichen Eingebung folgend, zückte Ondragon sein Handy. Ja, da war eine Mail von Rudee. Er öffnete sie.
Sawadee, Paul!
Einen guten Rat zuerst: An deiner Stelle ich sofort meine Koffer packen und nach Hause fahren, oder immer eine Waffe am Mann haben wenigstens! Und du dich besser mit Tigerbalm einreiben - schmeckt nicht!
Was zur Hölle, faselte Rudee da? Ondragon schüttelte den Kopf.
Im Anhang du ein Dokument finden, das sehr tief, betone, sehr tief , in den Eingeweiden von internem Server der Lodge versteckt. Ich extra ein Programm schreiben, um unbemerkt durch Hintertür Zugriff darauf bekommen. Du dir die Sachen durchlesen, dann du wissen, warum Daten besser als Fort Knox gesichert. Mann, du in guter Gesellschaft! Du bloß sehen, da schnell fertig werden! Dr. A ist Oberfreak! Wenn du mich fragen, der Doc da mehr Irre zusammen als in Resident Evil Zombies!
Greetz
Napol_e.on
PS: Nicht vergessen: Tigerbalm! Du verstehen, wenn Anhang lesen.
Ondragon öffnete die Datei. Und während er sie durchging, bildete sich kalter Schweiß auf seiner Stirn. Es war verrückt, aber mit einem Mal bekamen Dr. Schuylers scherzhafte Anspielung auf einen etwaigen kannibalistisch motivierten Mörder und Dr. Arthurs private Forschungen einen unschönen Zusammenhang. Das, was hier Schwarz auf Weiß in den so sorgsam geheim gehaltenen Patientenakten stand, dürfte selbst den guten alten Fritz Haarmann beeindruckt haben! Mit zittrigen Fingern scrollte Ondragon weiter. War Kateri womöglich auch Bestandteil dieser illustren Liste? Aus einem unerfindlichen Gefühl heraus wusste er, dass es ihn nicht überraschen würde, wenn dies tatsächlich so wäre. Schnell überflog er den Inhalt und erreichte schließlich das Ende der Datei. Einige bekannte Namen waren darin aufgezählt,
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