Ondragon - Menschenhunger
erheben.
„Aber vielleicht sollte ich vorher noch mal Krankenschwester spielen und den Kratzer auf Ihrer Stirn verarzten. Sieht nicht gut aus. Könnte entzündet sein. Spüren Sie nichts?“
Ondragon fuhr mit den Fingern über die verschorfte Wunde. Tatsächlich fühlte er eine Beule und leichte Schmerzen, als er darauf drückte.
„Wird schon nichts Wildes sein. Aber wenn es Sie beruhigt, so werde ich zu Schwester Grausam aufsuchen und sie um Jod bitten.“
„Schwester Grausam?“
„Na, Sheila.“
„Sie ist eigentlich ganz okay.“
„Eigentlich?“
„Ja.“
„Und auf welchen Knopf muss man da drücken?“
Kateri sah ihn verständnislos an.
„Schon gut.“ Ondragon schüttelte den Kopf. „Wir sehen uns am See.“ Bevor er den Tisch verließ, strich er Kateri unauffällig über den Unterarm. Innerlich freute er sich schon darauf, diese Frau ausführlicher zu erkunden, und vielleicht böte sich ihm ja schon bald erneut eine Gelegenheit. Diesmal würde er bestimmt nicht Nein sagen.
32. Kapitel
1835, Fort Frances
Sie bereiteten den Exorzismus gründlich vor. Two-Elk erklärte die Vorgehensweise und Lacroix legte alle Gegenstände zurecht, die sie brauchen würden. Colonel Richards und Gouverneur Simpson hatten das Zimmer längst verlassen. Wenn sie gewusst hätten, welch heidnischen Kult der Indianer hier zu praktizieren gedachte, hätten sie es auf jeden Fall missbilligt. Sie hatten Lieutenant Stafford zurückgelassen, um das Geschehen zu beobachten und notfalls auch einzugreifen. Er saß auf einem Stuhl und schrieb fleißig mit. Er notierte jedes Wort und jeden Handschlag. Amüsiert blickte Lacroix zu ihm hinüber. Für ihn war das alles bloß Zeitverschwendung. Wer zum Teufel würde dieses Gekritzel schon lesen? Niemand.
Er spürte, wie Two-Elk ihm eine Hand auf den Arm legte. Die dunklen Augen des Chippewa sprachen eine deutliche Sprache. Auch er spürte Furcht vor dem, was sie bei der Geisteraustreibung entfesseln könnten.
„Geist von Wendigo ist mächtig, er Teil von großem Universum. Aber wir müssen ihn aus Alan vertreiben! Kitchie Manitou , der Große Geist, wird uns dabei helfen“, sagte er mit gedämpfter Stimme.
„Gut, dann beginnen wir mit dem Ritual“, flüsterte Lacroix und wandte sich Parker zu, der auf dem Boden zwischen ihnen lag. Die verschiedensten Utensilien waren um ihn herum arrangiert, darunter Fetische aus Federn und Knochen, ein mumifizierter Habicht, ein Traumfänger, Lederschnüre, Säckchen mit Pülverchen und Räucherwerk, ein Wampumgürtel, ein Messer, ein Kohlebecken, ein Kupfertopf, eine weißemaillierte Kelle und rundliche Barren aus Bienenwachs.
„Kann ich auch etwas tun?“, fragte Stafford. Sein Gesicht glänzte vor Aufregung.
„Nein, Bleichgesichter dürfen nicht an der Zeremonie teilnehmen“, entgegnete Two-Elk entschieden.
„Aber er ist doch auch ein Bleichgesicht!“ Stafford deutete auf Lacroix.
„Vincent ist mein Bruder!“ Damit wandte der Chippewa sich wieder Parker zu.
Lacroix sah, wie der Lieutenant beleidigt die Lippen zusammenpresste, dann aber mit gezücktem Bleistift der Dinge harrte, die demnächst geschehen würden.
„Beginnen wir …“ Two-Elk nahm ein Säckchen und schüttete den Inhalt auf das glühende Kohlebecken, sofort stieg starker, nach Stechapfel riechender Rauch auf und erfüllte den ganzen Raum. Danach tauchte der Indianer seinen angefeuchteten Finger in einen der anderen Säcke. Mit einem roten Pulver zog er je eine waagerechte Linie auf Parkers, Lacroix‘ und seine eigene Stirn und legte anschließend die Lederschnüre zu einem Netz rund um Parker aus.
„Das wird den bösen Geist des Wendigo herausziehen, und das hier“, er zeigte auf den Traumfänger, „wird ihn auffangen und festhalten, bis wir ihn verbrennen.“ Auf Parkers Brust platzierte er die Habichtmumie und drapierte die Federn und Knochen in dessen Haar. Auf seinen Bauch legte er den Wampumgürtel aus schwarzen und weißen Muschelperlen.
Lacroix beobachtete den Chippewa dabei, wie er indianische Beschwörungsformeln vor sich hinmurmelte und jede Bewegung mit Bedacht ausführte. Allmählich spürte er die bewusstseinserweiternde Wirkung des Wysoccan-Rauches und sah, dass es Stafford nicht anders erging. Der Lieutenant schrieb nur noch träge in sein Buch und stierte zwischendurch immer wieder mit schweren Lidern in die Glut des Kohlebeckens.
Indes nahm Two-Elk den Kupfertopf, stellte ihn auf die heißen Kohlen, tat zuerst getrocknete Kräuter
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