Ondragon - Menschenhunger
Franzmann da, der war dabei, als die Familie gefunden wurde. Angeblich hat er das Vieh gesehen. Deshalb sind er und sein Freund ja auch hier! Vielleicht hat die Bestie sie ja bis hierher verfolgt und ist jetzt da draußen vor dem Tor.“
Der Junge war blass geworden. „Dann wird es uns alle töten?“
En voilà une belle merde! , dachte Lacroix, als ihn alle anstarrten.
„Ich hatte Ihnen doch deutlich nahegelegt, nicht mit den Soldaten über die Morde zu sprechen! Sehen Sie, was Sie angerichtet haben. Die Soldaten sind verängstigt wie ein Haufen Chorknaben, nur weil Sie Ihr Maul nicht halten konnten.“ Lieutenant Stafford stapfte wütend vor dem großen Eichentisch auf und ab, an dem der Colonel und der Gouverneur saßen. Dabei hatte Lacroix nicht ein Wort verraten. Die Soldaten hatten die Geschichten vom Wendigo bei den Dorfbewohnern aufgeschnappt. Während der Lieutenant tobte, schaltete Lacroix auf stur. Ihn war es egal, was Stafford dachte. Alles, was ihn interessierte, war, seinem Freund zu helfen. Und der brauchte dringend etwas zu essen, sonst würde er verhungern. Das kalte Fieber war seit letzter Nacht zwar wieder etwas zurückgegangen, aber Parker wirkte sehr lethargisch. Sein Gesicht war eingefallen und sein Körper mit Ausnahme der Füße abgemagert.
„Stellen Sie mir endlich Ihre Fragen, Lieutenant! Dann bin ich hier fertig und kann gehen, um Hilfe zu suchen.“ Er ignorierte die beiden anderen Wichtigtuer. Der Gouverneur hatte seine Hände über seinem fetten Bauch gefaltet und taxierte ihn mit arrogantem Blick. Wenn er sprach, dann wackelte nicht nur das Doppelkinn wie Pudding, sein ganzes Gesicht geriet dabei in Schwingung, als wechselten darauf die Gezeiten. Jetzt schwieg er, scheinbar teilnahmslos.
„Lacroix, da draußen sind Sie doch vollkommen hilflos. Geben Sie es doch zu.“ Stafford gestikulierte wie ein Priester auf der Kanzel. Nicht, dass Lacroix oft in der Kirche gewesen wäre, aber das Bild von einem predigenden Geistlichen hatte er sich in seiner Kindheit eingeprägt.
„Sie wissen ja nicht einmal, woran Ihr Freund leidet“, fuhr Stafford abfällig fort.
„ Tabernac! “ Lacroix funkelte den Lieutenant an und richtete seinen gedrungenen Körper zu voller Größe auf. „Da draußen sitze ich wenigstens nicht so untätig herum wie hier in ihrem Fort voller Dummköpfe!“
Wie erwartet sprang nun Colonel Richards von seinem bequemen Sessel auf. Auch sonst waren die Räumlichkeiten der Offiziere mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet.
„Es reicht allmählich mit Ihren Beleidigungen, Lacroix!“, sagte er bestimmt. Sein glattrasiertes Kinn glänzte von der Behandlung mit all den schönen Duftwässerchen. Alberner Geck! Da sprach Lacroix lieber mit dem Schnösel Stafford, der war wenigstens noch ein Mann, wenn auch etwas überexakt. Er hob die Faust. „ Monsieurs , ich sage Ihnen was, ich werde Ihnen jetzt noch einmal alles erzählen, was ich gesehen habe und danach nehme ich meinen Freund und verlasse diesen Ort! Compris ? Lieutenant Stafford hat gesagt, wir sind keine Gefangenen, nur Zeugen, also lege ich jetzt Zeugnis ab und verschwinde!“
Stafford sah Richards und den Gouverneur an. Doppelkinn und poliertes Kinn nickten widerwillig. Also begann Lacroix mit seinem Bericht. Er sah, wie Stafford flink sein Notizbüchlein zückte und mitschrieb, was er nicht schon zu Papier gebracht hatte. Bald erfüllten nur noch seine eigene Stimme und das Kratzen des Bleistiftes den Raum. Nur selten stellte einer der Anwesenden eine Zwischenfrage, auf ihren Gesichtern stand allzu deutliche Ungläubigkeit geschrieben. Sollten sie doch denken, was sie wollten, dachte Lacroix und fuhr sich über seinen Schnurrbart. Er wusste, dass da draußen etwas auf sie wartete. Etwas Altes, sehr Mächtiges, das nicht mit der feudalen Ignoranz des Adels zu bekämpfen war. Es zu ignorieren, würde es nur noch wütender machen. Lacroix hingegen war entschlossen, sich der Kreatur zum Kampfe zu stellen! Und wenn das bedeutete, dass er selbst dabei starb.
Er gelangte zu der Beschreibung der Leiche des Wachsoldaten, da klopfte es an der Tür und Sergeant Hancock betrat nach einer Aufforderung des Gouverneurs den Raum.
„Gentlemen, bitte entschuldigen sie diese Störung, aber da draußen steht der Indianer, der zu den Trappern gehört!“
31. Kapitel
2009, Moose Lake, Cedar Creek Lodge
Wie elektrisiert blickte Ondragon auf das Büschel Federn, das auf seinem Kopfkissen lag. Es war zusammen mit einem
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