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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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in die Nacht. Blitzschnell registrierten seine Sinne jedes einzelne Detail auf dem Balkon: den Liegestuhl mit den hellen Polstern, den Tisch, auf dem immer noch eine leere Flasche alkoholfreies Budweiser stand, die hölzerne Balustrade mit den Blumenkästen und die Laterne an der Wand, die er hätte einschalten können. Jeder Schatten war auf seinem Platz, nichts bewegte sich, und es lag auch keine böse Überraschung auf den Dielen. Ondragon warf einen Blick von der Balustrade nach unten. Leichte Windböen wehten um seine Nase, und irgendwo zirpten ein paar Grillen im Gras. Alles wirkte friedlich.
    Erleichtert ließ er die Waffe sinken. Wahrscheinlich hatte er die Balkontür nicht richtig geschlossen, und eine Böe hatte sie aufgedrückt, was den lauten Knall erklärte, von dem er aufgewacht war. Eigentlich konnte er der Tür dankbar sein, dass sie ihn so gnädig aus dem Alptraum gerissen hatte.
    Er ging wieder nach drinnen und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Erneut hob er seine Waffe, dabei fiel sein Blick auf einen hellen Fleck, der auf dem Boden vor der Zimmertür lag. Es war ein gefalteter Zettel. Er hob ihn auf. Drei Sätze in ungelenken Druckbuchstaben waren mit einem Kuli darauf geschrieben worden:

    ICH WEISS, DASS DU HIER HERUMSCHNÜFFELST!
    HÖR AUF DAMIT!
    SONST ERGEHT ES DIR WIE DEM HUND!

    Nachdenklich ließ Ondragon den Zettel sinken. Ganz klar eine Warnung. Doch von wem kam sie? Oliver Orchid? Pete? Die holperige Schrift würde zu dem Hillbilly passen. Ondragon steckte den Zettel in die Tasche seiner Jeans, er würde das Gekrakel einer Schriftprobe unterziehen, dann hätte er sehr schnell heraus, wer das geschrieben hatte. Der Kreis der Verdächtigen war ja zum Glück recht überschaubar. Er wollte sich gerade in sein Bett zurücklegen, da fiel sein Blick erneut auf einen Gegenstand, der die gewohnte Ordnung in diesem Raum störte. Er lag auf seinem Kopfkissen - da, wo er vor nicht einmal fünf Minuten noch geschlafen hatte. Und diesmal war er sich sicher. Er war nicht alleine im Zimmer!

30. Kapitel

    1835, Fort Frances

    Am Morgen trat Lacroix aus der Offiziersbaracke. Die Sonne ging gerade über den kahlen Baumwipfeln im Osten auf und ihr rotes Licht tauchte die müden Gestalten, die zwischen den Gebäuden hin und her wankten, in einen blutigen Glanz. Lacroix streckte seine Glieder, was ihm guttat nach dieser beinahe schlaflosen Nacht, und ging zu einer Gruppe von graugesichtigen Soldaten hinüber, die vor einer Mannschaftbaracke still Kaffee tranken. Der Dampf stieg einladend von den Blechbechern in die klare, kalte Luft auf, und Lacroix ließ sich auch einen Kaffee einschenken. Die ersten Schlucke taten gut, und er dachte an Parker, der nichts mehr herunterbekam, weder Flüssigkeit noch feste Nahrung.
    „Sagt mal, habt ihr das Geheul letzte Nacht auch gehört? Ich konnte kaum schlafen bei dem Lärm“, fragte einer der jüngeren Soldaten mit rotpickligem Gesicht. Er wirkte wie ein dünnes Streichholz unter seiner Winterkleidung.
    Sofort brach allgemeine Aufregung unter den Männern aus. Sie redeten laut durcheinander und mutmaßten, was diese Geräusche verursacht haben könnte. Lacroix sah, dass genau jene Soldaten, die ihn durch den Wald hierher begleitet hatten, schön die Schnauze hielten. Wahrscheinlich hatten auch sie den Befehl, kein Sterbenswörtchen über das zu verlieren, was auf dem Weg zum Fort geschehen war. Trotzdem konnte man ihnen ansehen, dass sie Angst hatten und das fiel natürlich auch den anderen auf.
    „He, Carl, was glotzt du denn so? Hast du einen Geist gesehen?“
    „Ach, lass mich doch in Ruhe!“ Carl, der einer von den beiden Männern war, die die Leiche ihres Kameraden gefunden hatten, drehte sich um und ging davon.
    „Was hat’n der?“, rief der Jüngere hinterher und lachte.
    „Carl war doch auch da draußen bei der Farm. Du weißt doch, da wo die Familie abgemetzelt wurde“, raunte ein anderer, und plötzliches Schweigen senkte sich auf die Männer. „Die Leute im Dorf reden von nichts anderem mehr. Eine Bestie soll da draußen umgehen.“
    „Was denn für eine Bestie?“, fragte der Junge ängstlich. Die Lust am Scherzen schien ihm vergangen zu sein.
    „So ein indianisches Waldmonster. Windigo oder Witiko, oder so ähnlich. Ich hab das draußen in der Taverne aufgeschnappt.“
    „Und wo kommt das Monster her?“
    „Weiß keiner, wahrscheinlich aus dem Wald. Irgendwas hat es geweckt und jetzt macht es Jagd auf Menschen. Frag doch den

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