Ondragon - Menschenhunger
menschenfressenden Bestie begegnen.
Kateri nickte geistesabwesend und wartete vor der Tür, während Ondragon sich im Bad schnell etwas Wasser ins Gesicht spritzte, seine Haare ordnete und ein neues T-Shirt zu seiner Jeans anzog. Danach wickelte er sich den frisch gewaschenen Kapuzenpulli um die Hüfte und verbarg darin seine Waffe. Wenn er in den Wald ging, wollte er gewappnet sein.
Gemeinsam suchten sie Dr. Arthur in seinem Büro auf, und es stellte sich heraus, dass er längst von Lymes Verschwinden unterrichtet worden war. Der Psychotherapeut setzte seine Brille ab und sagte relativ gelassen: „Mr. Lyme ist im ganzen Gebäude nicht zu finden, auch auf dem Rest des Geländes nicht. Er muss die Lodge verlassen haben und in den Wald gegangen sein. Das passt gar nicht zu ihm. Er geht sonst nie nach draußen. Aber ich habe Pete Bescheid gesagt, er soll zusammen mit einigen anderen eine Suche rund um die Lodge organisieren.“
„Was könnte Mr. Lyme im Wald wollen, wenn er dafür so unerwartet mit seinen Gewohnheiten bricht?“, fragte Ondragon mit unschuldiger Miene.
„Ich versuche gerade, dahinter zu kommen, Mr. Ondragon. Auch ich finde sein Verhalten äußerst befremdend“, sagte Dr. Arthur, zeigte aber mit keiner Regung, dass er es sehr wohl besser wusste. „Tatsache ist“, fuhr er fort. „dass Mr. Lyme nicht der Mensch ist, der sich gerne in der Natur bewegt. Er ist ein reines Stadtgewächs, mit einer gewissen Furcht vor der urtümlichen Kraft der Wildnis. Genau wie Sie übrigens, Mr. Ondragon.“ Der Psychotherapeut sah ihn an, und in seinen gelben Augen flimmerte es eigentümlich.
Ondragon ignorierte diesen Blick, der ihn bis auf die Knochen zu durchleuchten schien. Er spürte Wut in sich aufsteigen. Es beleidigte ihn, mit diesem mickrigen Schleimer Lyme verglichen zu werden. Er hatte nichts, rein gar nichts mit ihm gemein!
„Ich werde helfen, ihn zu suchen!“, sagte er geradeheraus. Zwar war er nicht scharf darauf, wieder durch das Gestrüpp zu rennen, aber er wollte Dr. Arthur beweisen, dass er sich nicht davor fürchtete. Er und Angst vorm Wald - eine glatte Fehleinschätzung.
„Das kann ich nicht zulassen. Sie sind hier wegen einer Therapie. Es ist nicht Ihre Aufgabe, nach vermissten Gästen zu suchen. Wie ich schon sagte, Pete wird sich darum kümmern.“
„Dr. Arthur, Fakt ist doch, Lyme ist dort draußen, und je mehr Leute nach ihm suchen, desto eher finden wir ihn. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn ihm etwas zustößt, und Sie haben nicht alles getan, um es zu verhindern. Oder sollten wir Deputy Hase um Hilfe rufen? Er kann“, Ondragon sah auf seine Armbanduhr, „in neunzig Minuten hier sein.“
Dr. Arthur hob eine Hand. „Ich befürchte, das ist keine so gute Idee. Deputy Hase ist viel zu beschäftigt mit den Ermittlungen. Es wäre nicht gut, wenn er hier mit seiner ganzen Mannschaft aufmarschiert. Nachher macht Lyme tatsächlich nur einen Spaziergang. Wir wollen keine unnötige Panikmache.“
„Eben!“
Nachdenklich schürzte Dr. Arthur die Lippen und sagte nach einer Weile: „Ich kann Sie eh nicht daran hindern, in den Wald zu gehen. Aber versprechen Sie mir bitte, dass Sie diesen Einsatz nicht an die große Glocke hängen.“
Ondragon nickte und warf Kateri einen Blick zu. Sie sah aus, als läge ihr etwas auf dem Herzen. Auch Dr. Arthur bemerkte es.
„Was ist, Kateri?“, fragte er sie.
„Ich gehe auch mit“, entgegnete sie entschlossen.
„Aber, Kateri …“
„Ich gehe mit.“ Sie wandte sich an Ondragon. „Kommen Sie, wir benachrichtigen Pete!“
„Kateri, so warte doch …“
Aber sie wartete nicht, ließ den besorgten Dr. Arthur stehen und zog Ondragon mit sich aus dem Büro.
Wenig später hatten sie Pete gefunden. Er stand mitten in einer kleinen Versammlung bestehend aus Frank, dem Sunnyboy Julian und drei weiteren Männern auf dem Parkplatz vor der Lodge und diskutierte. Sie traten zu der Gruppe. Sofort registrierte Ondragon, dass Frank ein Jagdgewehr über der Schulter und Julian zwei Trommelrevolver am Gürtel trug. Der junge Reitlehrer sah damit aus wie eine lächerliche Ausgabe von Billy the Kid. Wobei das mit dem Kid schon eher zutraf.
„Hey, Mr. On Drägn .“ Pete begrüßte ihn mit einem lässigen Handschlag, und Ondragon erklärte, warum sie hier waren.
„Ohne Waffe sollten Sie aber nicht gehen, Mr. Ondragon“, sagte Julian und legte eine Hand auf den Revolvergriff. „Zu gefährlich!“
Ach was! Ondragon sah von ihm der Reihe nach
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