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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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einem nach dem anderen eine Hand auf die Schulter, dabei murmelten Mutter und Vater leise ein Wort, das Ondragon nicht verstehen konnte. Auch hier nickte Pollux wieder verständnisvoll und sah seinen Patienten dann ernst an
    „Es verhält sich wie folgt, Paul.“ Er machte eine gewichtige Pause. „Es gab definitiv einen Todesfall in Ihrer Familie, das ist sicher. Doch seitdem haben Sie und Ihre Eltern nie wieder darüber gesprochen. Ihre Eltern kennen die Person, die ums Leben gekommen ist, und halten ihr Andenken weiterhin hoch. Allein von Ihnen kommt die Ablehnung, nur von Ihnen wurde die Person aus ihrer Familie verdrängt und ausgeschlossen. Ich sage Ihnen, Paul: Holen Sie diese Person zurück in Ihr Herz, zurück in Ihre Gedanken! Dann sind Sie in der Lage, Ihr Problem zu verarbeiten. Holen Sie den Toten zurück, geben Sie ihm, was ihm zu Recht gehört: Einen Platz in Ihrer Familie.“
    Zum ersten Mal zutiefst verunsichert in seiner eignen Wahrnehmung, sah Ondragon Dr. Pollux an. Das alles war doch ein fauler Zauber. Warum wollte Pollux ihm einen Todesfall andichten? Und woher sollten diese fremden Menschen hier in diesem Raum wissen, was in seiner Familie vorgefallen ist? Das war unmöglich. Alles bloß Show. Er zögerte.
    Pollux blickte ihn sanft an. „Ich sehe, dass Sie sich noch immer dagegen wehren, Paul. Hören Sie, ich sage Ihnen jetzt den Namen und die Stellung der verstorbenen Person, und dann können Sie mir immer noch sagen, ob ich mich irre, oder?“
    Ondragon presste die Lider aufeinander. Seine Augen brannten, und sein Schädel fühlte sich an, als fuhrwerkte jemand mit einem Püriergerät darin herum. Das hier war schlimmer als jede Hypnose! Wie sollte er aus dieser Situation nur herauskommen, ohne wie ein kleines Kind einfach davonzulaufen? Er öffnete die Augen wieder und nickte gequält langsam.
    Pollux lächelte verständnisvoll, lehnte sich dann mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor und flüsterte: „Der Name ist Per Gustav und er ist Ihr Bruder . Ich wage sogar, zu behaupten, dass es Ihr Zwillingsbruder ist!“
    Es fühlte sich an wie ein mächtiger Kinnhaken. Ondragon taumelte und ging zu Boden. Tonnen von Büchern krachten von den Regalen und begruben ihn unter sich.
    Stille.
    Und dann ein Schrei. Es war seine Mutter!
    „Per! Oh, mein Gott, Per!“

34. Kapitel

    1835, Fort Frances

    Two-Elk war der erste, der sich wieder rühren konnte. Nach dem Ritual waren die vier Männer in einen seltsam erschöpften Schlaf gefallen. Der Indiander stand auf und öffnete die Fensterläden. Die frische Luft, die wie ein kühler Wasserfall zu ihnen hereinfiel, verscheuchte den letzten Nachhall des Stechapfels und die Erinnerungen an den schreienden Schatten.
    Lacroix rieb sich die Augen. Er wollte sichergehen, auch das letzte Trugbild fortzuwischen. Dann beugte er sich über Parker. Der alte Fallensteller lag mit friedlichem Gesichtsausdruck da, ganz so als schliefe er. Rote Striemen rund um seine Lippen zeugten von der Tortur mit dem flüssigen Wachs und seine Haut war fast weiß, genau wie seine Haare. Ansonsten wirkte er unverändert. Lacroix berührte ihn an der Wange, sie fühlte sich kühl an, aber nicht mehr unnatürlich kalt. Erleichtert atmete er auf.
    Währenddessen rieb sich Stafford stöhnend die Stirn. „Bei allen Heiligen dieser Welt, was war das?“ Fluchend stand er und von seinem Stuhl auf. Doch ihm schien schwindelig zu sein, denn er ließ sich gleich wieder sinken. „Was für ein Teufelswerk!“
    „Kein Teufelswerk, Chippewa-Medizin!“, sagte Lacroix lächelnd und zeigte auf Parker. Überrascht sog Stafford Luft ein, als er den alten Trapper sah, der sich inmitten der Unordnung aufrichtete und ihn mit klaren Augen anblickte. Offenbar war der Exorzismus gelungen.
    „Das gibt es nicht! Ist er geheilt?“ Stafford sah von Parker zu Two-Elk.
    „Ja, ich denke schon.“ Lacroix wandte sich an seinen Freund. „Wie geht es dir, Alan?“
    „G-gut.“ Parker sah an sich herunter und befühlte seine Füße, die ihre normale Größe und Form wieder zurückerlangt hatten. „Was ist eigentlich geschehen?“, fragte er schließlich und kratzte sich am Kopf.
    Das war er, der gute alte Parker! Er war zurück. Lachend schloss Lacroix seinen Freund in die Arme. „Alan, gesegnet sei der Tag, an dem wir uns begegnet sind! Lass uns deine Genesung mit einer Flasche Gin im Dorf begießen! Und dann nichts wie weg von hier. Ich hab langsam die Nase voll von den Rotröcken!“ Lacroix

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