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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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deshalb“, lenkte Ondragon hastig ein, „glaube ich, dass wir ihn hier im Wald nicht finden werden, wenn wir laut nach ihm rufen. Er will gar nicht gefunden werden. Er will sich von dem Ungeheuer auffressen lassen.“
    „Und warum hast du das nicht allen erzählt, bevor wir losgezogen sind? Das wäre sehr hilfreich gewesen.“
    Ondragon hob entschuldigend beide Hände. „Ich weiß, tut mir leid.“ Hoffentlich kam sie nicht auf die Idee, ihn zu fragen, woher er das wusste.
    „Und woher weißt du das?“
    Ondragon schloss kurz die Augen. Hinter seiner Stirn pulsierte der Kopfschmerz immer stärker, und er hatte noch immer das ungewisse Gefühl, dass es nicht gut wäre, ihr die tatsächlichen Ausmaße seiner Aktivitäten zu verraten.
    „Dr. Arthur hätte es im Übrigen auch wissen müssen“, fuhr er ärgerlich fort, „er behandelt Lyme ja schließlich. Warum hat er nichts gesagt? Ich verrate es dir. Er forscht nämlich nebenbei heimlich an Menschen mit dem Kannibalen-Syndrom und auch an solchen, die auf der anderen Seite stehen und sich essen lassen wollen. Wusstest du das?“
    „Ja, das wusste ich, und es geschieht auch nicht heimlich, es ist ganz offiziell sein Spezialgebiet“, verteidigte Kateri ihren Mentor. „Glaub mir, ich kenne Jonathan sehr gut. Dass er das mit Lyme nicht gesagt hat, liegt wahrscheinlich daran, dass die Schweigepflicht ihn bindet. Daran halten sich ja beileibe nicht alle Ärzte, aber Jonathan ist äußerst gewissenhaft! Er würde nie Dritten etwas über seine Patienten erzählen. Nie! Selbst mir nicht, und ich bin wie eine Tochter für ihn.“
    Ja, selbst dir nicht, Schätzchen!, dachte Ondragon böse, wollte sich aber nicht auf eine Diskussion über Dr. Arthurs Integrität einlassen, dazu war Kateri viel zu befangen. Sie würde nie etwas Negatives über ihren Mentor gelten lassen, und ihn selbst dann noch in Schutz nehmen, wenn seine Machenschaften offen zu Tage träten. Das war zwar verständlich in ihrer Lage als Vollwaise, aber es konnte ihn, Ondragon, in dieser Angelegenheit nur zum Verlierer machen. Einen Pfeil musste er allerdings noch abschießen.
    „Und wusstest du auch, dass er einige Kannibalen hier in der Lodge behandelt?“
    „Ja, auch das ist mir bekannt.“
    „Macht dir das keine Angst?“
    „Nein, denn, wie gesagt ich kenne Jonathan schon sehr lange, und er weiß, was er tut. Er ist ein sehr guter Psychotherapeut. Vielleicht sogar der beste, den du auf diesem Planeten finden kannst.“
    „Schon möglich.“ Ondragon spürte, wie eine seltsame Hitze ihn erfasste, und er heftig zu schwitzen begann. Es war, als säße er in einem Raum, in dem jemand die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht und danach den Thermostat abgebrochen hätte. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Stirn und nahm den letzten Schluck Wasser aus seiner Flasche. So elend hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit er damals von Malaria geplagt in einem Rebellencamp in Myanmar festhing.
    „Geht es dir nicht gut?“, fragte Kateri und wollte ihm eine Hand an die Wange legen.
    Ondragon schüttelte schnell den Kopf. „Schon gut, alles okay. Ich habe nur schrecklichen Durst.“ Um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen, drehte er seine leere Flasche auf den Kopf. Auch Kateris kleiner Wasservorrat war längst aufgebraucht. Sie brauchten beide dringend Nachschub.
    „Es ist noch ungefähr eine halbe Meile bis zum nächsten Bachlauf. Hältst du es noch bis dahin aus?“
    Ondragon nickte und schlug nach dem millionsten Moskito auf seiner Haut. Sie wollte also noch immer nicht aufgeben. „Na gut.“ Er stieß sich von dem Baumstamm ab, an den er sich gelehnt hatte. „Aber wir sollten nicht mehr laut rufen, damit Lyme uns nicht ausweichen kann. Vielleich läuft er uns dann direkt in die Arme.“
    Sie gingen eine Weile, in der Kateri sehr still war und so wirkte, als denke sie nach. Wahrscheinlich fragte sie sich immer noch, woher er das mit Lyme wusste, traute sich aber nicht, ihn danach zu fragen, da sie fürchtete, er könnte Dr. Arthur angreifen. Denn inzwischen musste auch ihr klar geworden sein, dass der Doc sich in der Tat merkwürdig verhalten hatte. Er sah auf seine Uhr. Kurz nach sechs. Allmählich sollten sie den Rückweg antreten, sonst würde sie die Dunkelheit überraschen.

37. Kapitel

    2009, im Wald sieben Meilen nordöstlich des Moose Lake, Minnesota

    „Hast du das gehört?“ Kateri war stehen geblieben und lauschte mit erhobenem Kopf.
    „Ja“, flüsterte Ondragon und blickte

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